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YouTube Playlist 61 Lieder aus 61Jahren

Moderators: MoniqueMaRie, Cifi

Chrisinom
Germany

YouTube Playlist 61 Lieder aus 61Jahren

Post by Chrisinom »

61 Deutsche Songs aus 61 Jahren

Der Anfangspunkt dieser Sammlung ist das Jahr 1962, das Jahr nach dem Bau der Mauer. Seitdem ist Deutschland ein geteiltes Land. Der Endpunkt ist eine weitere „Zeitenwende“ (turning point in history): Putins Krieg gegen die Ukraine. Ich wollte eigentlich für jedes Jahr ein Lied auswählen. In einigen Fällen bin ich davon abgewichen. Nicht für alle Jahre gibt es geeignete Lieder.
Meine Auswahl ist natürlich subjektiv. Ich habe nach folgenden Kriterien ausgewählt:
a) Die Negativkriterien: Es fehlen aus Gründen der Qualität die deutschen Schlager und das, was man als „Volksmusik“ bezeichnet. Beide Genres folgen nur kommerziellen Interessen. Die Texte und die Musik sind uninteressant. Es gibt dabei auch keine Lieder im Dialekt (Deshalb fehlt z.B. die Kölner Rockband BAP). Lieder einer (bewusst) niedrigen Sprachebene (z.B. Gangsta-Rap) habe ich ebenfalls nicht berücksichtigt.
b) Die Positivkriterien: Die Liedern reflektieren die deutsche Zeitgeschichte: politisch, gesellschaftlich, kulturell. Sie sind typisch für musikalische Richtungen der deutschen Popgeschichte.
Ich versuche die Lieder in dieser Hinsicht einzuordnen. Ich schreibe Deutsch und schreibe einfache Sätze. Dabei verwende ich Fremdwörter. Fremdwörter sind fast immer für Sprecher verschiedener Sprachen verständlich. Ich beginne mit den 60er Jahren, die anderen Jahrzehnte folgen später.

Die 60er Jahre
Nach dem verlorenen Weltkrieg und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR): Die Weltpolitik orientierte sich neu. Der neue Feind Nr. 1 war für die Westmächte (USA, England und Frankreich) die Sowjetunion. Zwei deutsche Staaten wurden gegründet. Die Neugründung der Armee (Bundeswehr 1955), der NATO-Beitritt der BRD, die Aussöhnung mit dem „Erzfeind“ (archenemy) Frankreich 1963 und die Römischen Verträge (Europäische Wirtschaftsunion) integrierten das Land in die westliche Welt. Die junge BRD wurde wirtschaftlich gefördert. Die 50er Jahre waren die Jahre des deutschen Wirtschaftswunders. Nach der ersten juristischen Strafaktion gegen die Naziverbrecher (1945 – 1949) ließ man die führenden Nazis in Ruhe. Einige flohen ungestraft nach Südamerika (der KZ-Arzt Mengele, Adolf Eichmann). Andere nahmen führende Positionen in Wirtschaft und Gesellschaft ein (Adenauers Chefberater Hans Globke, Reinhard Gehlen, der Gründer des deutschen Spionagediensts). Man brauchte sie als Experten. Auch die westdeutsche Bevölkerung wollte sich nicht mit ihrer Nazi-Vergangeheit auseinandersetzen: „Die sollen uns damit in Ruhe lassen“. Die Zivilgesellschaft war im CDU-Staat (Die Christlich-Demokratische Union Konrad Adenauers regierte von 1949 - 1966) konservativ: Der Nazi ließ sich nicht so leicht aus dem Kopf vertreiben. Die Frauen, die als „Trümmerfrauen“ (rubble women“) das Land wieder aufgebaut hatten, mussten zurück an den Herd. Wichtig war das materielle Wohlergehen: Die „Fresswelle“ ließ den Hunger der späten 40er-Jahre vergessen.
Die 60er Jahre brachten zwei wichtige Ereignisse: Den Bau der Berliner Mauer 1961 und die Studentenbewegung der 68er. Der Bau der Mauer führte zur Teilung Deutschlands über fast dreißig Jahre. Die Studentenbewegung war eine Zeitenwende für die Politik, Gesellschaft und Kultur in Westdeutschland. Beides prägte die zukünftige Entwicklung des Landes. Musikalisch dominiert der Schlager. Aber die jungen Leute hören die Beatles, die Rolling Stones, die Beach Boys. Beat und Rock sind die musikalischen Wegbereiter (trailblazers) der Jugendrevolte 1968.

  1. Cornelia Froboess: Zwei kleine Italiener (1962)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/conn ... 32fe4.html
    Und dennoch: Ich beginne mit einem Schlager. Cornelia (Conny) Froboess war ein Kinderstar der 50er Jahre. Später studierte sie Schauspiel (Theater) und wurde eine angesehene Schauspielerin in Theater, Fernsehen und Film.
    Zum Lied: Der Bau der Mauer stoppte die Zuwanderung (Migration) von Ostdeutschen nach Westdeutschland. Die wachsende deutsche Wirtschaft brauchte Arbeitskräfte. Die fand man in den süd- und osteuropäischen Ländern: In Spanien, in der Türkei, in Griechenland, im ehemaligen Jugoslawien, besonders und zuerst aber in Süditalien. Das Lied beschreibt eine typische Situation dieser Jahre: Auf den Bahnhöfen treffen sich italienische Gastarbeiter, die sich nach ihrer Heimat sehnen, und deutsche Touristen, die in den Urlaub fahren.

  2. Marlene Dietrich: Sag mir wo die Blumen sind (1962)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/marl ... 2595f.html
    Die größte deutsche Filmdiva Hollywoods wurde nach dem Ende ihrer Filmkarriere Sängerin. Auf ihrer Europatournee Anfang der 60er Jahre kehrte sie nach Deutschland zurück. Im Krieg engagierte sie sich politisch und sozial gegen das Hitler-Regime. Das Publikum in Deutschland war begeistert von ihrer Show. Einige bezeichneten sie jedoch als „Vaterlandsverräterin“ (traitor to the fatherland“). Mit dem Beginn des „kalten Krieges“ wurde ihr Engagement pazifistisch.
    Zum Lied: Der Song ist Ausdruck dessen. Es handelt sich um ein Cover von Pete Seegers Song „Where have all the flowers gone“ (1955). Das Lied spiegelt eine allgemeine Stimmung in Deutschland: Die Angst vor einem Krieg. Zwei Kriege hatte man verloren. Der nächste Krieg würde ein Atomkrieg sein. Diese Kriegsangst drückte sich in den Ostermärschen aus: Der erste Marsch fand 1960 statt. Die Lösung von Konflikten auf friedlichem Wege bestimmte die deutsche Politik bis zur „Zeitenwende“ (Bundeskanzler Olaf Scholz) 2022: Die Unterstützung der Ukraine auch mit deutschen Waffen gegen die Aggression Putins.

  3. Drafi Deutscher: Marmor Stein und Eisen bricht (1965)
    https://musikguru.de/drafi-deutscher/so ... 80030.html
    Die englischsprachige Beatmusik dominierte die 60er Jahre in Deutschland. Deutsche Bands wie The Rattles und The Lords spielten nicht nur englischsprachige Lieder. Sie gaben sich auch englische Namen. Es gab jedoch eine Ausnahme: Drafi Deutscher. Sein berühmtester Song wurde Nr. 1 in den deutschen Charts und wird auch heute noch manchmal gespielt. Die englischsprachige Version „Marble Breaks and Iron Bends“ brachte es bis in die US-Charts.
    Zum Lied: Da gibt es nicht viel zu sagen. Der Text ist genau so banal wie die Musik. Und trotzdem: Der Song hat etwas (vielleicht das „Dam dam“?). Man hört ihn auch heute noch hin und wieder.

  4. Franz Josef Degenhardt: Tonio Schiavo (1966)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/fran ... f13ab.html
    Neben der Beatmusik hatte die amerikanische Folkmusik von Woodie Guthrie, Pete Seeger, Phil Ochs, Joan Baez, Bob Dylan und anderen einen großen Einfluss in Deutschland. Mit sozialkritischen französischen Chansonniers wie Jacques Brel waren sie ein Vorbild für deutsche Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt. Degenhardt war eine Stimme der 68er Bewegung. Er engagierte sich für die Ostermarschbewegung, gegen den Vietnamkrieg („Ein schönes Lied“). Besonders kritisierte er in seinen Liedern die deutsche Nachkriegsgesellschaft: das spießige Kleinbürgertum (the stuffy petty bourgeoisie) in „Deutscher Sonntag“ und „Horsti Schmandhoff, die Intoleranz gegen die Außenseiter der Gesellschaft („Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, „Väterchen Franz), den Mythos von der „Stunde Null“ („Wenn der Senator erzählt“).
    Zum Lied: Die italienischen Gastarbeiter waren inzwischen nicht mehr „zwei kleinen Italiener“, sondern viele. Und es wurde langsam deutlich, dass sie nicht nur Gäste waren, sondern in Deutschland blieben. Sie wurden ausgebeutet und diskriminiert (schiavo ist auf deutsch Sklave), man nannte sie „Itaker“, „Spaghettifresser“, „Knoblauchfresser“. Die Fremdenfeindlichkeit wurde zu einer Konstante der deutschen Nachkriegsgesellschaft.

  5. Schobert und Black: Der Bart (1967)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/scho ... c08c3.html
    Neben den politisch engagierten Liedermachern gab es eine zweite, weniger radikale Gruppe von Künstlern. Der bekannteste unter ihnen war Reinhard Mey; dazu später. Ihre Texte waren humoristisch und ironisch. Dazu gehörten auch die „singenden Bärte“ Schobert und Black.
    Zum Lied: Die 68er Bewegung distanzierte sich schon im Outfit von der Vätergeneration. Man trug Jeans, hatte lange Haare und ließ sich als junger Mensch einen Bart wachsen. Warum, das verdeutlicht auf ironische Weise dieses Lied.

  6. Hildegard Knef: Für mich soll’s rote Rosen regnen (1968)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/hild ... fc094.html
    Hildegard Knef war der erste Nachkriegsstar des deutschen Films. Sie spielte in dem ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ (1946). 1948 ging sie nach Hollywood, 1950 wurde sie US-amerikanische Staatsbürgerin. Zum Skandal in Deutschland kam es 1950, als sie für den Film „Die Sünderin“ kurz nach Deutschland zurückkehrte. Der Film thematisierte die Tabuthemen Prostitution und Suizid. Dies und eine kurze Nacktszene führte zu einem Verbot in vielen deutschen und europäischen Städten. Außerdem kam es zu einer Klage bis hin zu den obersten Gerichten der BRD. Mehr als sieben Millionen Deutsche sahen den Film. Nach der Rückkehr Knefs aus Hollywood setzte sie ihre Filmkarriere in Frankreich und England fort und trat auch als Sängerin auf. Damit begann ihre zweite Karriere in Deutschland als Sängerin von Chansons.
    Zum Lied: Diese optimistisch-ironische Lied ist das Erkennungslied der „besten Sängerin ohne Stimme“ (Ella Fitzgerald). 2019 outete sich ein eher unerwarteter weiblicher Wagner-Liebhaber als Fan in ihrer Jugendzeit. Dazu später.

  7. Alexandra: Mein Freund der Baum (1968)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/alex ... 3bcd7.html
    Doris Alexandra Nefedov begann als Sängerin slawischer Lieder in Bars und Kneipen und wurde bei der Miss-Germany-Wahl 1962 Neunte. Die deutsche Schallplattenindustrie wurde auf die tiefe Stimme, das Talent und die Vielsprachigkeit der Sängerin aufmerksam und baute sie zum Star auf. Die Schlagerbranche brachte mit ihr ein neues Format auf den Markt: Osteuropa und Russland.
    Zum Lied: Aber Alexandra war nicht zufrieden mit den slawisch-folkloristischen Schlagern („Sehnsucht“, „Zigeunerjunge“). Sie suchte den Kontakt mit den französichen Chansonniers Adamo, Gilbert Bécaud und Yves Montand. Sie lernte bei einm Festival in Brasilien Carlos Jobim kennen. Und sie schrieb und komponierte ein eigenes Lied – ihr einziges: 1969 starb sie bei einem Autounfall. Ihr eigenes Lied thematisiert die Zersiedelung der Landschaft (urban sprawl). Das Waldsterben war ein wichtiges Thema erst in den 80er Jahren.

  8. Wolf Biermann: Die hab ich satt
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/wolf ... a261a.html
    Die Situation der Unterhaltungsmusik in der DDR war in den 60er Jahren ähnlich wie in der BRD. Auch hier hatte der Schlager Hochkonjunktur. Die bekanntesten der Liedermacher aus der DDR wurden früher oder später ausgebürgert. Der gebürtige Hamburger und überzeugte Kommunist Wolf Biermann siedelte 1953 aus dem Westen in die DDR über. In den 60er Jahren wurde er zu einem der schärfsten Kritiker der DDR. Seit 1965 durfte er nicht mehr auftreten und publizieren. Seine Lieder wurden in der BRD aufgezeichnet. 1976 wurde er während einer Konzerttour in der BRD ausgebürgert.
    Zum Lied: Nach dem Auftrittsverbot konnte Biermann kein professionelles Tonstudio nutzen. Seine Platte „Chuasseestraße 131 wurde in Biermanns Wohnung aufgenommen. Die Technik: Ein aus dem Westen geschmuggeltes Tonbandgerät und ein Mikrofon. Das nahm auch die Geräusche der Straßenbahn vor dem Haus auf. Das Lied drückt Biermanns ganze Frustration über den Zustand der DDR (und wohl auch der BRD) aus: Er hat alles satt, die falschen Freunde, die Bürokraten, die Weltgeschichte, die Professoren, Beamten, Lehrer, die Untertanen, die Dichter. Aber auch die kleinen Leute, die sich alles gefallene lassen. Vor allem aber hat er die deutsche Teilung satt.

Chrisinom
Germany

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Die 70er Jahre
Die 70er Jahre waren (nicht nur in Deutschland) eine Zeit von Umbrüchen und Veränderungen. Sie begannen hoffnungsvoll: Dank Willy Brandts Ostpolitik kam es zu einer Annäherung von Ost und West. Brandt erhielt dafür 1971 den Friedensnobelpreis. Letztlich führte die Politik von „Wandel durch Annäherung“ zur Wiedervereinigung 1989. Die SPD/FDP-Regierung versprach, „mehr Demokratie“ zu wagen. Doch sehr bald entwickelte sich die 68er Bewegung in eine andere Richtung: Ein Teil der Bewegung radikalisierte sich in der „Rote-Armee-Fraktion“ um Andreas Baader und Ulrike Meinhoff. Seinen Höhepunkt erreichte der Linksterror im „Deutschen Herbst“ 1977. Ab der Mitte der 60er Jahre formiert sich die Anti-Atomkraft-Bewegung gegen den Bau eines Atomkraftwerks in Brokdorf und eines atomaren Endlagers in Gorleben. Schon 1973 wuchs die Inflation in der BRD wegen der Ölpreiskrise. Der lange wirtschaftliche Boom nach dem Kriegsende war damit beendet. Bis 1982 wuchs die Arbeitslosigkeit bis auf zwei Millionen. Die zweite Ölpreiskrise hatte die wirtschaftliche Lage weiter verschärft.
In der DDR schienen sich die Dinge zunächst zum Besseren zu wenden. Erich Honecker löste Walter Ulbricht an der Spitze der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschland) ab. Es kam zu einer Steigerung des Lebensstandards in Ostdeutschland. Mitte der 70er Jahre führte der scheinbare Boom jedoch zu einer Mangelwirtschaft, da viele Produkte aus dem Westen importiert waren. Der scheinbare Fortschritt war durch Kredite erworben. Mit Honecker ändert sich auch die Popmusik in der DDR: Für Ulbricht war Beat- und Rockmusik barbarisch, Gift des Amerikanismus. In den 70er Jahren wurden junge Rockbands staatlich gefördert. Sie übernahmen Stilelemente des Progressive Rock und des Jazzrock. Es gab eine große Vielfalt von deutschsprachiger Rockmusik, von Soul, Blues und Jazz. Im Gegensatz dazu hörte man in der BRD weiter englischsprachige Musik – mit einer einzigen Ausnahme: Udo Lindenberg. Die Bands des sogenannten „Krautrock“ sangen meistens auf Englisch und/oder hatten kein gro0es Publikum. Das sollte sich jedoch gegen Ende der 70er Jahre ändern.

  1. Katja Ebstein: Wunder gibt es immer wieder (1970)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/katj ... e47c3.html
    Zu Beginn der 70er Jahre dominierte in der deutschsprachigen Musik weiter der Schlager. Einigen Künstlern gelng es, sich dem Schlager-Kitsch zu entziehen und sich im Grenzbereich zu Pop und Chanson zu bewegen. Die bekannteste Sängerin dieser Art von Musik war die auch international erfolgreichste: Katja Ebstein. Mit „Wunder gibt es immer wieder“ (heute ihr bekanntester Song) erreichte sie beim Eurovision Song Contest 1970 den dritten Platz; im Jahr darauf folgte mit dem Umweltsong „Diese Welt“ 1971 ein weiterer dritter Platz und schließlich 1980 („Theater“) ein zweiter Platz. Bemerkenswert ist ihr politisches und soziales Engagement.
  2. Hannes Wader: Heute hier, morgen dort (1972)
    Text: http://www.songtexte.com.de/hannes-wade ... -dort.html
    Die 70er Jahre waren weiterhin die Zeit sozialkritischer deutscher Liedermacher. Wie Degenhardt hatte Hannes Wader einen großen Einfluss auf die Studentenbewegung der 68er. Ursprünglich war Wader vom französischen Chansonnier Georges Brassens und von Bob Dylan beeinflusst. 1971 reiste er per Anhalter durch Europa. Seine Wohnung überließ er einer Frau, die sich als Reporterin ausgab. In Wirklichkeit war sie Gudrun Ensslin, ein führendes Mitglied der RAF. Sie machte Waders Wohnung zum Hauptquartier der Gruppe und führte in der Wohnung Sprengstoffexperimente durch. Als Wader zurückkam, war die Wohnung total verwüstet. Nur die Solidarität Reinhard Meys und anderer Sängerkollegen verhinderte das Ende seiner Laufbahn.
    Zum Lied: Nach der Anfangszeit als Sänger politischer Lieder wurde Wader zum Volkssänger. „Heute hier, morgen dort“ wurde zu seinem bekanntesten Song. Volkslieder waren zu dieser Zeit mit dem Nationalsozialismus assoziiert. Hannes Wader machte sie wieder populär. Sehr schön ist in diesem Zusammenhang seine Sammlung von plattdeutschen Liedern (1974). „Heute hier, morgen dort“ ist eine Coverversion eines amerikanischen Songs von Gary Bolstadt („Indian Summer“).
  3. Die Puhdys: Wenn ein Mensch lebt (1973)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/puhd ... e455a.html
    Die Puhdys sind die im Westen wohl bekannteste DDR-Rockband und ein gutes Beispiel für die kulturelle Wende nach 1970. Zunächst hatten sie Probleme, weil sie auf Englisch sangen und ihre Konzerte zu laut waren. Sie einigten sich mit den Behörden und schrieben ihre Lieder auf Deutsch. Stilistisch waren ihre Vorbilder Hardrockbands wie Uriah Heep, Deep Purple und Led Zeppelin.
    Zum Lied: 1973 erschien einer der berühmtesten Filme der DDR, Paul und Paula. Als Filmmusik war unter anderem ein Song der Bee Gees vorgesehen, „Spicks and Specks“. Wegen Devisenmangel wurde der Song gestrichen und durch einen deutschsprachigen Song ersetzt. Den Text schrieb der Drehbuchschreiber und Romanautor Ulrich Plenzdorf. Ein Jahr zuvor hatte Plenzdorf den wohl bekanntesten DDR-Roman geschrieben, „Die neuen Leiden des jungen W.“ (nach dem berühmten Roman von Johann Wolfgang Goethe). Man merkt dem Puhdy-Song diese Herkunftsgeschichte an: Er klingt wie „Spicks and Specks“, Er ist dem Vorspann (opening credits) des Films unterlegt. Der Text folgt dem „Buch der Prediger“ aus der Bibel: „Ein jegliches hat seine Zeit“. („To every thing there is a season“ – Pete Seegers song „Turn turn turn“). Der Film und das Lied der Puhdys ist für viele ehemalige DDR-Bürger eine positive Erinnerung an eine Zeit großer Hoffnungen mit der Machtübernahme Erich Honeckers. Das Lied machte die Puhdys über Nacht auch außerhalb der DDR berühmt.
  4. Udo Jürgens: Griechischer Wein (1974)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/udo- ... e4d27.html
    Zurück in die BRD und zu einem der erfolgreichsten Künstler (mit einer Karriere von 60 Jahren) der deutschen Popgeschichte. Udo Jürgens wurde in Klagenfurt als Sohn deutscher Eltern in Österreich geboren. Er besaß neben der österreichischen seit 2007 auch die Schweizer Staatsbürgerschaft. Stilistisch bewegen sich seine Lieder zwischen Schlager, Chanson und Popsong. Er gewann als erster Österreicher mit dem Lied „Merci Cherí“ den Grand Prix d’Eurovision, heute Eurovision Song Contest. „Griechischer Wein“ wurde ein großer Hit. Zu seiner Ehrung und als Ausdruck des Dankes, das Leben der griechischen Gastarbeiter in Deutschland derart emotional ausgedrückt zu haben, wurden Udo Jürgens und der Textschreiber Michael Kunze vom griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis in Athen empfangen. Das Lied wurde unter dem Titel Phile kerna krassi ins Griechische übertragen. Es wurde und zu einer Art Volkslied. Bing Crosby nahm es mit dem Titel Come Share the Wine auf; später sang es Al Martino, der damit ebenfalls großen Erfolg hatte.
    Zum Lied: Sieben Jahre nach Degenhardt nahm Udo Jürgens das Thema der Gastarbeiter in Deutschland wieder auf. Inzwischen hatte sich einiges in Deutschland verändert. Das gilt auch für die Einstellung zu den Gastarbeitern. Ihre Kultur, besonders die Esskultur, wurde durch den Zustrom aus den süd- und osteuropäischen Ländern geprägt. Man ging zum Essen zum Italiener, zum Jugoslawen, zum Griechen. Also: Die „Krauts“ gibt es nicht mehr. Die drei beliebtesten Gerichte der Deutschen sind Döner (türkisch), Pizza und Pasta. In Jürgens’ Lied erhalten die Gastarbeiter erstmals eine Stimme: Neben dem Ich des deutschen Gastes gibt es das Ich der Griechen in der Kneipe, das von seinem Heimweh und seiner Sehnsucht erzählt. Im Fall der Immigration der Griechen kommt ein weiteres Element dazu: Viele von ihnen flohen wegen der Militärdiktatur (1967 – 1974).
  5. Reinhard Mey: Über den Wolken (1974)
    https://www.songtexte.com/songtext/rein ... a0737.html
    Reinhard Mey ist seit Ende der 60er Jahre einer der populärsten Liedermacher der BRD. Er besuchte das französische Gymnasium in Berlin und hat neben dem deutschen Abitur auch das französische Baccalaureat. Große Erfolge hatte er als Liedermacher auch in Frankreich und den Niederlanden. Seine Lieder sind vom französischen Chanson und der Countrymusik beeinflusst. Sie haben eingängige Melodien und sind sprachlich sehr gewandt. Im Gegensatz zu den Chansons sind seine großen Erfolge aus den Anfangsjahren wenig politisch und behandeln auf ironisch-humorvolle Art Alltagsprobleme (Diplomatenjagd, Annabelle, Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars, Die heiße Schlacht am kalten Buffet). Ein Liedtitel ist zu einer stehenden Redewendung der deutschen Sprache geworden: „Der Mörder ist immer der Gärtner“ eine Satire auf die deutsche Lust an Kriminalromanen und -filmen.
    Zum Lied: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ – Welcher Deutsche kennt diese Zeile nicht? Das Lied erreichte bei der Wahl der besten Lieder des 20. Jahrhunderts in einer Fernsehsendung den 4. Platz (hinter Beethovens „Ode an die Freude“). Meys Schreibstil ist sehr elegant. Wie schafft man es, ein typisch deutsches Wortmonster wie „Luftaufsichtsbaracke“ so leicht klingen zu lassen?
  6. Nina Hagen: Du hast den Farbfilm vergessen (1975)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/nina ... 80444.html
    Zurück in die DDR: Nina Hagen wurde nach ihrer Ausweisung aus der DDR 1976 zur deutschen „Godmother of Punk“. Sie hatte einen großen Einfluss auf die NDW, die Neue Deutsche Welle der 80er Jahre. Sie galt schon vor ihrer Ausweisung als unzuverlässig: Der Lebensgefährte ihrer Mutter war der Dissident Wolf Biermann. Zwischen 1980 und 1986 lebte sie in den USA, London und den Niederlanden.Nach ihrer Rückkehr stilisierte sie sich als Punkrock-Diva.
    Zum Lied: Dieser Schlager war ihre erste Plattenveröffentlichung. Berühmt wurde er auch im Westen im Dezember 2021: Die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel wünschte sich zu ihrer Verabschiedung zwei Lieder aus ihrer Jugendzeit. Das waren dieser DDR-Schlager und Hildegard Knefs Chanson „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Beides wohl auch ein Hinweis auf die Erfolge der Frauenbewegung. Das Video in der Playlist muss später entstanden sein: Es zeigt Nina Hagen als die spätere Punk-Queen. Das auf den ersten Blick harmlose Lied hat es in sich: Hinter den scheinbar unschuldigen Zeilen verbirgt sich eine Kritik des DDR-Systems: Warenknappheit und Mangelwirtschaft, graue Schwarz-Weiß-Welt gegen die bunten Farben der westlichen Warenwelt. Man kann den Text auch als Beschreibung häuslicher Gewalt lesen: „Alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr“, der vergessene Farbfilm ist das Totschweigen der Tat. Die Konsequenz: „Micha, mein Micha und alles tut so weh, tu das noch einmal, Micha und ich geh!“
  7. Ton Steine Scherben: Halt dich an meiner Liebe fest (1976)
    Text: https://genius.com/Ton-steine-scherben- ... est-lyrics
    Die Titel der ersten Songs der West-Berliner Band mit ihrem Frontmann Rio Reiser machen klar, was ihr Anliegen ist: „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Keine Macht für niemand“. Es geht gegen die Herrschenden. 1971 wurde das erste deutsche Independent-Label gegen die Schallplattenindustrie gegründet. Am 8. Dezember 1971 besetzten Band und Publikum nach einem Auftritt an einem ungenutzten Gebäudeteil eines Kreuzberger Krankenhauses. Man nannte das Haus Georg-Rauch-Haus. Der militante Anarchist Rauch war kurz zuvor von der Polizei erschossen worden. Mitte der 70er Jahre zog die Band um auf einen Bauernhof in Nordfriesland.
    Zum Lied: Gleichzeitig änderte sich der Stil ihrer Lieder. Die Texte wurden melancholischer, die Musik nahm Elemente von Jazz, Funk, Folk und Ethno-Rock auf. Der Titel des Songs ist gleichzeitig der Titel einer Biographie über Rio Reiser, geschrieben von seinem Bruder. Es zeigt die andere, sensible und verletzliche Seite des Anarchisten Reiser. Die Band löste sich 1985 auf, Rio Reiser startete eine erfolgreiche Solokarriere. Eine interessantes Detail: Seit 1982 gehörte Claudia Roth zum Management der Band. Sie ist heute Kulturstaatssekretärin der Regierung von Olaf Scholz für die Partei „Bündnis 90 / Die Grünen“.
  8. City: Am Fenster (1977)
    Text: https://genius.com/Ton-steine-scherben- ... est-lyrics
    City ist die erfolgreichste DDR-Band. City war keine explizit politische Band. Als eine der wenigen DDR-Bands traten sie auch im Westen auf. Auch nach fast 50jähriger Karriere kmen noch immer Tausenden von Fans zu ihren Konzerten. Nach dem Tod des Bandgründers Klaus Selmke 2020 veröffentlichte City noch eine Abschieds-CD.
    Zum Lied: Das erfolgreichste Lied der Band wurde weltweit insgesamt 10 Millionen mal verkauft. 1974 wurde es komponiert, aber niemand wollte es haben. Bei einer Plattenaufnahme 1977 war noch Zeit. Der Produzent ging eine Zigarette rauchen, die Band spielte ein Demo ein. Dieses landete bei Radiostationen, die es auch spielten. Auch Discos in Westdeutschland legten es auf. Dabei war das Lied zu lang, der mystische Text (ein Gedicht der Leipziger Schriftstellerin Hildegard Maria Rauchfuß) schwer verständlich, es hatte keinen Refrain, entsprach nicht dem Mainstream. Die Musik greift bulgarische Folklore auf, enthält Jazz-Elemente. Der bulgarische Geiger Georgi Gogow war auch Jazz-Geiger, ein mehr als zweiminütiges Geigensolo war ungewöhnlich.
  9. Kraftwerk: Das Model (1978)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/kraf ... 158f5.html
    „Kraftwerk sind wichtiger als die Beatles“ – so der britische Musikjournalist Paul Morley 2013. Bereits 1997 bezeichnete die New York Times Kraftwerk als die „Beatles der elektronischen Tanzmusik“. Im November 2021 wurde die Band in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Die ersten drei Kraftwerk-Alben der 70er Jahre waren noch teilweise akustisch und experimentell ausgerichtet. Das folgende Album „Autobahn“ (1974) ist das erste Album des Elektro-Pop. Die gleichnamige Single erreichte in den USA die Billboard Charts. Der Titelsong von „Radioaktivität“ (1975) stand im Frühsommer 1976 wochenlang auf Position 1 der französischen Charts. Das sechste Album „Trans Europa Express“ (1977) übte großen Einfluss auf frühe Hip-Hop-DJs aus.
    Zum Lied: „Model“ ist der Hit aus dem Album „Mensch Maschine“. Bis auf den relativ langen Text ist es typisch für Kraftwerk: Reduzierte Melodiefragmente wechseln sich mit Phasen von Soundeffekten ab. Die von allen Emotionen befreite, kalte Singweise ist wie ein Sprechgesang. „Model“ erreichte 1982 den ersten Platz in den britischen Charts. Unter den zahlreichen Cover-Versionen des Songs ist die von Rammstein besonders interessant.
  10. Bettina Wegner: Kinder (1979)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/bett ... 6d7b0.html
    Die gebürtige Westberlinerin zog als Kind mit der Familie in den Ostteil der Stadt um. Der Vater hatte dort Arbeit. Bettina Wegner studierte Schauspiel. 1968 wurde sie verhaftet: Sie hatte gegen den Einmarsch in die Tschechoslowakei demonstriert. Nach ihrer Haft machte sie eine Ausbildung als Sängerin und wurde mit ihren Friedens-, Protest- und Liebesliedern in der DDR und in der BRD bekannt. 1983 musste sie die DDR verlassen. Wie Wolf Biermann durfte sie nach Konzerten im Westen nicht zurück in die DDR reisen.
    Zum Lied: Das mit Abstand bekannteste Lied von Bettina Wegner. Im Westen wurde es bekannt durch eine Folge der Fernsehsendung „Kennzeichen D“, in der Welt durch Joan Baez, die das Lied auf Deutsch sang. Für Bettina Wegner war es nicht nur ein Segen: Sie wollte jahrelang das Lied nicht singen, weil sie auf diese eine Lied reduziert wurde. „Grade, klare Menschen / Wär′n ein schönes Ziel / Leute ohne Rückgrat / Hab'n wir schon zu viel.“ Dieses wunderschöne Lied bleibt aktuell, nicht nur in der DDR.
Chrisinom
Germany

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Die 80er Jahre
Die 80er Jahre waren ein bewegtes Jahrzehnt in Deutschland. Sie begannen mit der Gründung eines neuen politischen Partei, „Die Grünen“. Heute sind sie Teil der Ampelkoalition von Kanzler Scholz (rot = SPD, Sozialdemokraten / gelb = FDP, Liberale / grün = Bündnis 90 Die Grünen). Sie endeten mit dem Fall der Berliner Mauer 1989, der das Ende der DDR bedeutete. Die Grünen waren die Partei der Bewegung gegen Umweltzerstörung und Atomkraftwerke(AKWs). Greenpeace Deutschland wurde 1980 mit spektakulären Aktionen in Norddeutschland aktiv, 1981 demonstrierten mehr als 100 000 Menschen trotz Verbot gegen den Bau des AKW Brokdorf, 1986 geriet das AKW Tschernobyl in der Ukraine außer Kontrolle. Eine radioaktive Wolke zog über Deutschland. Das war der Anfang vom Ende für die deutschen Atomkraftwerke. In Hannover öffnete die erste Computermesse CeBIT - digitale Rechner gehörten immer selbstverständlicher zum Alltag vieler Menschen. In Osteuropa standen die Zeichen auf Wandel. Michaile Gorbatschow leitete fundamentale Reformen ein, die zur Auflösung der Sowjetunion führten und 1989 den Fall der Mauer ermöglichten.
In der DDR brachte das Jahr 1979 eine Wende in der Kulturpolitik: Der Schriftstellerverband der DDR – der Vollstrecker der SED-Kulturpolitik – schloss neun seiner Mitglieder aus, darunter den weltberühmten Antifaschisten Stephan Heym. Bekannte Künstler*innen wie Christa Wolf und Ulrich Plenzdorf protestierten. Dieser Umgang mit den eigenen Autoren prägte das Bild von der DDR-Kulturpolitik bis zu ihrem Ende. Denn auch wer zum Sozialismus stand, konnte in diesem Staat zum Feind werden. Auch an diesem kulturpolitischen Gegensatz zerbrach die Macht der SED im Herbst 1989.
Ähnliches geschah auch in der Unterhaltungsmusik. Die führenden Rockmusikgruppen der 70er Jahre wurden allerdings nicht angetastet; sie brachten dem Staat Devisen und opponierten nicht offen. Nach außen hin wahrte man die Fassade als „weltoffener Staat“. „Abweichler“ wie die Band „Klosterbrüder“ sahen sich Repressalien ausgesetzt. Sonst entzogen sich Punkbands der DDR der staatlichen Aufsicht. Sie traten in Kulturhäusern und Jugendclubs auf. Immer wichtiger wurden private Räume und Kirchen für ihre Auftritte. Seltsamerweise gibt es kein Kultlied aus der DDR zum Mauerfall. Die Künstler hatten anderes zu tun.
In der BRD waren die späten 70er und die frühen 80er Jahre die Jahre der „Neuen deutschen Welle“ (NDW). Es waren die Jahre, als die Popmusik Deutsch lernte. Die NDW war ein schnelllebiges Massenphänomen mit nachhaltiger Wirkung. Sie entstand als Untergrundbewegung aus dem britischen Punk und New Wave. Die NDW begann im Sinne des Punk gesellschaftskritisch und politisch, zuerst bei kleinen Independent-Labels. Nach den ersten Erfolgen besonders der Berliner Band „Ideal“ mit großen Open-Air-Konzerten griffen die etablierten Plattenfirmen zu. Die Texte wurden banaler, die Musik pop-kompatibel. Wichtig war, dass einigen Songs der Sprung in die US Charts gelang. Noch wichtiger: Die Texte waren deutsch. Das ebnete den Weg für die deutschsprachige Punk- und Rockmusik von Gruppen wie „Die Ärzte“ und „Die toten Hosen“ sowie der deutschsprachigen Rocksänger wie Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und Marius Müller-Westernhagen. Ihre Erfolge haben bis heute überlebt.

  1. Karat / Peter Maffay: Über sieben Brücken (1980)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/pete ... a0744.html
    Mit diesem Song wurde eine der führenden Rockbands der DDR auch in der BRD bekannt. Der westdeutsche Sänger, Komponist und Musikproduzent Peter Maffay bat die Band um die Erlaubnis, ihren Song zu covern. Maffay, ein gebürtiger Rumäne, war und ist einer der erfolgreichsten deutschen Künstler. Das Video in der Playlist ist von einem Karat-Konzert mit Peter Maffay als Gast.
    Zum Lied: Das Lied geht auf eine 1975 von Helmut Richter geschriebene gleichnamige Liebesgeschichte zurück. Sie handelt von der unglücklichen Beziehung zwischen einem Polen und einer Deutschen. Gegen Ende der Geschichte reflektiert die Protagonistin Gitta innerlich immer wieder die Verszeilen „Über sieben Brücken musst du gehn“, die ihren Kummer, aber auch ihre Hoffnung und Zuversicht ausdrückt. Das Fernsehen der DDR kaufte die Geschichte für eine Filmversion auf. Während der Produktion des Filmes entstand so die Idee, ein Titellied zu verfassen. Dessen Kernzeile „Über sieben Brücken mußt du gehen“ wurde aus der ursprünglichen Erzählung übernommen.
  2. Spider Murphy Gang: Skandal im Sperrbezirk (1980)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/pete ... a0744.html
    Die Spider Murphy Gang nahm ihren Namen aus einer Zeile des „Jailhouse Rock“ von Elvis Presley. Die vier Jungs begannen als eine Coverband auf Hinterhofbühnen und in Kasernen. 1979 unterschrieb die Band ihren ersten Plattenvertrag. „Skandal im Sperrbezirk“ war das erste Outtake ihrer ersten Platte und wurde bald zum Tabuthema der Radioanstalten und sogar des ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen). Schnell erschien die zweite Single „Schickeria“, und plötzlich wollten alle das Album und die beiden Singles.
    Warum das Tabu? Das liegt unter anderem am „N-Wort“ – nicht das übliche N-Wort, sondern „Nutten“, Prostituierte. Rosi, so heißt die fiktive Dame, ist eine Prostituierte in München-Mitte, im Sperrbezirk. 1980 verschärfte die CSU-Stadtverwaltung die Sperrbezirksverordnung. Die Prostitution wurde in die Stadtrandbereiche verdrängt. Die CSU (Christlich-Soziale Union) ist der Bayern-Ableger der CDU. Rosis fiktiver Erfolg hatte seine Konsequenzen: „Draußen vor der großen Stadt / stehn die Nutten sich die Füße platt“. Rosis Telefonnummer 32168 existierte angeblich tatsächlich. Sie soll einer älteren Dame gehört haben. Diese soll nach Erscheinen des Lieds zweifelhafte Anrufe erhalten haben. Der Song ist wohl fast jedem Mittfünfziger in Deutschland bekannt.
  3. Major Tom (Völlig losgelöst) (1982)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/pete ... cfb10.html
    Nr. 1 – Hit in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1983 in den US und UK Charts vertreten – Peter Schilling ist einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Sänger. Bereits mit vierzehn Jahren soll er zwei Angebote für eine Karriere bekommen haben: Eines als Fußball-Profi beim VfB Stuttgart, das andere von einer Plattenfirma. Er entschied sich für die Musik. Zu Beginn der 80er Jahre war Peter Schilling ein großer Fan von David Bowie. Mit „Major Tom“ kam der große internationale Erfolg. Er blieb eine Eintagsfliege (mayfly – a flash in the pan).
    Zum Lied: Major Tom ist eine fiktive Figur aus David Bowies „Space Oddity“. Die Platte wurde über eine Million Mal in Deutschland verkauft, sechs Millionen Mal weltweit. Einen besonderen Stellenwert erlangte das Lied in Mannheim: Bis heute ertönt das Lied in den Drittelpausen des Eishockeyteams Adler Mannheim.
  4. Nena: 99 Luftballons (1983)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/nena ... cfa57.html
    Und gleich der nächste internationale Hit. Gabriele Susanne Kehrer wurde 1960 in Hagen (Westfalen) geboren. In ihrem dritten Lebensjahr bekam sie den Namen Nena: Im Spanienurlaub der Familie nannten sie die Katalanen Nena, Mädchen. Nena ist jedoch auch der Name der Band, mit der sie ihre größten Erfolge hatte. Mit ihrem Song „Nur geträumt“ hatte die Gruppe ihren ersten Erfolg. Dann kamen im Januar 1983 die 99 Luftballons. Die Autorin Christiane F. („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, Symbolfigur der Drogenkultur Jugendlicher jener Jahre) nahm Lenas Platte nach L.A. mit. Über die Radiosender der Westküste verbreitete sich der Song in ganz Nordamerika. Am Ende wurden weltweit 29 Millionen Tonträger verkauft. Dieser Erfolg ließ sich nicht wiederholen, die Band löste sich 1986 auf. In den 90er Jahren veröffentlichte Nena hauptsächlich Platten mit Kinderliedern. Im neuen Jahrtausend jedoch erfolgte ein Wiederaufstieg. 2001 hatte sie einen großen Auftritt bei dem Konzert „Rock gegen Rechts“. Organisiert wurde das Konzert von Udo Lindenberg. Bis heute ist Nena musikalisch aktiv.
    Zum Song: Der Liedtext entstand in der letzten Phase des Kalten Krieges. Im Aufrüstungs-Wettbewerb mit der Sowjetunion begann die Nato 1983, in Deutschland Pershing-II-Raketen zu stationieren. Beschlossen wurde das 1979 (Nato-Doppelbeschluss). Die Reaktion auf den Beschluss waren große Demonstrationen der Friedensbewegung in Deutschland. Die Idee zu dem Song kam von dem Gitarristen der Band, Carlo Karges. Er beobachtete bei einem Rolling-Stones-Konzert 1982 in Berlin, wie bunte Ballons in den Himmel aufstiegen. Was würde wohl geschehen, wenn die Ballons über die Grenze nach Ost-Berlin flögen? Würde das dort eine paranoide Reaktion auslösen? Das Ergebnis wäre: „99 Jahre Krieg ließen keinen Platz für Sieger / Kriegsminister gibt’s nicht mehr und auch keine Düsenflieger / Heute zieh’ ich meine Runden, seh’ die Welt in Trümmern liegen. / Hab’ ’nen Luftballon gefunden, Denk' an Dich und lass' ihn fliegen.“
  5. Geier Sturzflug: Bruttosozialprodukt (1979/1983)
    https://www.songtexte.com/songtext/geie ... 38637.html
    Ohne ihren bekanntesten Song würde es die Band „Geier Sturzflug“ wahrscheinlich nicht geben. Der Song entstand als das Werk von zwei Straßenmusikern aus Bochum mit dem Titel „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt“. Die neu formierte Band erhielt Anfang der 80er Jahre einen Vertrag für dieses Lied, das 1983 Platz 1 in den deutschen Charts erreichte. Weitere Platten folgten, bis einige der Bandmitglieder seit Mitte der 80er Jahren eigene Projekte verfolgten. Ab 1996 wurde aus der Band ein Duo, weitere Wechsel erfolgten. Die Band existiert bis heute.
    Zum Lied: Selten war ein Song so Spielball politischer Einflüsse wie „Bruttosozialprodukt“. Sein Erfolg steht im Zusammenhang mit der politischen Wende 1982/83. Der CDU-Politiker Helmut Kohl löste den Sozialdemokraten Helmut Schmidt als Kanzler ab. Manche sahen das Lied als CDU-nah, weil es scheinbar das typisch deutsche Arbeitsethos zum Ausdruck brachte. Die Illustrierte „Quick“ bezeichnete es als „Parteitags-Song der CDU“. Es bringe die wirtschaftliche Aufbruchsstimmung nach den Krisenjahren der späten 70er und frühen 80er zum Ausdruck. Dabei ist die Ironie des Songs eigentlich kaum zu übersehen: Die Stechuhr (time clock, punch clock) stöhnt beim Stechen „lustvoll“, der Gabelstapler (forklift) prahlt mit der Stapelgabel, ein Beinamputierter (leg amputee) kniet sich rein (buckles down). Dennoch: Radiosender spielten das Lied vor der Wahl 1983 nicht, auch der erste Fernsehauftritt der Band erfolgte nach der Wahl Helmut Kohls. Ironische und satirische Elemente wurden ausgeblendet. Schon die Tatsache, dass der Song erstmals 1978 vom links-alternativen Trikont-Label veröffentlicht wurde, hätte aufhorchen lassen müssen.
  6. Falko: Rock Me Amadeus (1985)
    https://www.songtexte.com/songtext/falc ... c8e25.html
    Ein weiterer Welterfolg, diesmal von einem Österreicher. „Rock Me Amadeus“ erreichte als bisher einziger deutschsprachiger Song die Spitze der US-amerikanischen Billboard Charts. Die musikalische Karriere von Johann Hölzel begann als Jazz-Bassist in Westberliner Clubs. 1978 sah er in einem österreichischen Hotel den DDR-Skispringer Falko Weißpflog bei der deutsch-österreichischen Vierschanzentournee. Sein Künstlername war geboren. Zurück in Wien, spielte er bei einem avantgardistischen Rocktheater und einer politischen Anarcho-Band. Nach einem Konzert gab ihm ein Wiener Plattenunternehmer einen Vertrag für drei Solo-LPs. Der erste Erfolg kam mit dem Song „Der Kommissar“ 1981. Er brachte Falco europaweit Top-Positionen. Als zweiter Künstler nach Kraftwerk brachte es Falco in die US Charts. „Der Kommissar“ war weltweit der erste kommerziell erfolgreiche Rap-Song eines Weißen. Mit dem Erfolg kam Falco schlecht kar: Er galt als arrogant, begann zu trinken, weitere Songs spalteten seine Fans und Kritiker. Der Leistungsdruck wurde unerträglich – bis mit neuen Produzenten „Amadeus“ zum Welthit wurde. Aber auch nach dem Erfolg wurde der mentale Druck immer größer, Drogen und Alkohol ließen Falco nicht los. Anfang 1996 zog Falco in die Karibik um. 1998 starb er bei einem Autounfall auf San Domingo.
    Zum Lied: Rock Me Amadeus ist eine fiktionale Auslegung der Karriere des Salzburger Musikers und Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Falco beschreibt den Protagonisten Amadeus als Anhänger der Punk-Szene in Wien. Er thematisiert damit, wie Mozart in der Wiener Gesellschaft der 1980er Jahre aufgenommen worden wäre. Die Strophen behandeln Amadeus’ Punker-Dasein um 1780 in Wien, er wird als „Virtuose“ und „Rockidol“ beschrieben. Der Song knüpft an den Erfolg des Films „Amadeus“ von Milos Forman (1984) an. Typisch Falco ist der Sprachmix aus Hochdeutsch, Englisch und Wienerisch.
  7. Heinz Rudolf Kunze: Dein ist mein ganzes Herz (1986)
    Text: https://www.songtexte.de/songtexte/hein ... 89919.html
    Heinz Rudolf Kunze ist „Professor Deutschrock“. Der studierte Germanist nahm zwischen 1980 und 200 mehr als 200 Songs auf. Er sah von Anfang an keinen Sinn darin, nicht auf Deutsch zu singen. Seine Ambition lag im Umgang mit den Feinheiten seiner Muttersprache. Sein erster Erfolg war eine deutsche Version des Kinks-Klassikers „Lola“ (1984). Auch in der DDR war Kunze sehr erfolgreich: 1987 spielte er 70 Konzerte im Osten, wo deutschsprachiger Rock trotz der Neuen Deutschen Welle mehr geschätzt wurde als im Westen. Nebenbei war der Dylan-Fan Kunze auch literarisch mit Gedichten und Prosatexten tätig. Kunze war auch der Übersetzer von Musicals wie „Miss Saigon“ und „Les Miserables“. Bis heute ist er rastlos tätig.
    Zum Lied: Der Song ist Kunzes erster und bisher auch größter Erfolg in den deutschen Charts. Der Titel des Lieds stammt aus der Welt der Operette, Franz Lehars gleichnamiges Lied aus „Das Land des Lächelns“. Aber Kunze bezieht sich nicht nur auf dieses musikalische und literarische Vorbild: der ganze Liedtext besteht aus Literaturzitaten und Sprichwörtern. Wie der Song „Da da da“ von der Band Trio („Ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht … Aha“) aus dem Jahr 1982 dekonstruiert Kunze die Sprachwelt de Schlagers mit dem Reim Herz – Schmerz.
  8. Marius Müller-Westernhagen: Freiheit (1987)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/mari ... cf888.html
    Da ist es: Das Lied zum Fall der Mauer. Leider zwei Jahre zu früh. Und leider aus dem Westen. Müller-Westernhagen ist der Sohn eines berühmten Schauspielers im Ensemble von Gustav Gründgens. Der junge Marius spielt seine erste Filmrolle 1962 mit 14 Jahren. Ein Jahr später wird er außerdem Musiker. Zunächst aber wird er als Schauspieler populär. Sein Image: Einzelkämpfer mit Herz und Gerechtigkeitssinn. Das passt zum Rockstar und Frauenheld, obwohl Marius eigentlich schüchtern ist. Ende der 70er Jahre gründet er seine eigene Rockband. Mit dem Song „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ (1978) bekommt er eine goldene Schallplatte. Ab 1987 ist er nur Rocker. Bis zum Beginn des neuen Jahrtausends ist er ein Megastar. Bis heute gehört er zu den großen alten deutschen Rockstars: Lindenberg, Grönemeyer, Kunze – und Müller-Westernhagen. Nebenbei erhält er das Bundesverdienstkreuz. Er setzt sich mit seiner Frau gegen Rassismus und andere gesellschaftliche Missstände ein.
    Zum Lied: Westernhagen hatte anfangs nicht den Fall der Mauer oder die Wiedervereinigung Deutschlands im Sinn. Beim Konzert im Dezember 1989 in Dortmund sang das Publikum lautstark mit. Danach singt er das Lied bei Konzerten nicht mehr – bis 2016 bei MTV Unplugged. Er findet, dass der Song „bei der aktuellen politischen Weltlage“ aktuell sei. 2022 veröffentlichte er auf seinem Instagram-Profil ein Schwarz-Weiß-Foto, das ihn beim Impfen zeigte – dazu schieb er das Wort „Freiheit“. Impfgegner (die sogenannten „Querdenker“ sowie die rechtsradikale Partei AFD) hatten sich auf sein Lied berufen.
  9. Rio Reiser: König von Deutschland (1987)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/rio- ... b4c0b.html
    Ralph Möbius benannte sich nach einer Romanfigur des 17. Jahrhunderts, einem höchst sensiblen gescheiterten Schauspieler. 1970 wurde er Sänger der radikal-anarchistischen Band „Ton Steine Scherben (s. 70er Jahre). Nach der finanziellen Pleite der Band blieb Reiser politisch aktiv: Sein Song "Alles Lüge" dient den Grünen 1986 als Wahlkampfsong. Getreu dem Motto 'Wehrt Euch' war Reiser in der Anti AKW Bewegung engagiert. Seine großen Konzerte in der DDR 1988 wurden vom DDR-Jugendsender aufgezeichnet und später ausgestrahlt – allerdings ohne den Scherben-Song „Der Traum ist aus“. Er enthält die Zeilen „Gibt es ein Land auf der Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist? […] Ich weiß es wirklich nicht – Ich weiß nur eins, und da bin ich sicher: Dieses Land ist es nicht!“ Damit war eigentlich die Bundesrepublik gemeint. – Aber Tausende Ost-Berliner hatten „mehr mitgebrüllt als mitgesungen“ Das zeigte ein Jahr vor der politischen Wende, wie wenig sich die anwesenden Zuhörer mit ihrem Staat identifizieren wollten. Solo gelangen dem charismatischen Sänger und Musiker plötzlich auch Liebeslieder und andere eher leise Töne. Rio Reiser war auch als Schauspieler erfolgreich: Für seine Rolle als "Johnny West" bekam er schon 1977 den Bundesfilmpreis in Gold. Rio Reiser starb 1996 im Alter von 46 Jahren.
    Zum Lied: Mit seinem größten Hit fand Rio Reiser endlich das junge Publikum, das er mit „Ton Steine Scherben“ gerne gehabt hätte. Seine Kritiker warfen ihm Verrat an der Sache und Ausverkauf seiner linken Ideen vor. Dabei stammt das Lied aus der „Scherben“-Zeit und wurde wohl schon in den Siebzigern auf Live-Konzerten gespielt. Das Lied ist eine satirische Reflexion der bundesdeutschen Politik und Populärkultur Mitte der 1980er Jahre. Der Text wurde im Laufe der Zeit immer wieder verändert und umgedichtet, teils durch Reiser selbst, teils durch andere Interpreten.In Deutschland gehört das Lied mittlerweile zur Folklore. Auch Jahrzehnte nach der Veröffentlichung können viele Menschen den Großteil des Liedtextes mitsingen. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Text mal leicht verändert wird. An vielen Stellen wird er auch gern absichtlich verändert interpretiert, um einen aktuelleren politischen Bezug herzustellen. 1992 wurde der Song als Wahlkampfspot der linken PDS verwendet. Für die Handelskette Media-Markt wurde er 2006 Bestandteil einer Werbekampagne. In der Satiresendung heute-show wurde das Lied im Dezember 2016 zu einem Spottlied über den damaligen frisch gewählten US-Präsidenten Donald Trump, der an die Stelle von Ronals Reagan im Original trat („I käm' viel rum, würd' nach USA reisen,
    Ronny mal wie Waldi in die Waden beißen“).
  10. Klaus Hoffmann: Diese Stadt (1988)
    Text: https://genius.com/Klaus-hoffmann-diese-stadt-lyrics
    Und noch ein Schauspieler! Klaus Hoffmann ist Berliner, Westberliner, aber er hat auch als Schauspieler eine ostdeutsche Vergangenheit. Seine Ausbildung erhielt er an der Max-Reinhardt-Schule, er spielte an renommierten Bühnen wie der Freien Volksbühne, am Thalia-Theater in Hamburg. Er spielte in Ingmar Bergmanns Film „Das Schlangenei“. Und vor allem spielte er Edgar Wibeau, den Protagonisten in Ulrich Plenzdorfs DDR-Produktion „Die neuen Leiden des jungen W.“. Als Liedermacher isr er eng befreundet mit Reinhard Mey, der auch sein Trauzeuge war. Er geht bis heute nach jedem Album – inzwischen sind es mehr als 40 – auf Deutschlandtour.
    Zum Lied: Hoffmanns musikalische Vorbilder sind Bob Dylan, die Berliner und die französischen Chansonniers – und von diesen vor allem Jacques Brel. Hoffmann ist der führende deutsche Brel-Interpret. Brels Musik und Texte halfen ihm, sich von seinem kleinbürgerlichen Elternhaus zu lösen. Zu Brels Ehren schrieb er ein Brel-Musical, „Brel – die letzte Vorstellung“. Hoffmanns Texte sind bestimmt von seiner Kindheit im kleinbürgerlichen Nachkriegs-Berlin. Das durchgehende Motiv seiner Lieder ist der Konflikt zwischen der Wärme und der kindlichen Geborgenheit und dem Aufbegehren dagegen. Darin ist er ein typischer 68er. Die Lösung liegt in der Versöhnung mit der eigenen Geschichte und der Berlins: Hier bin ich zu Haus, „diese Stadt ist meine Stadt“.
Chrisinom
Germany

Re: YouTube Playlist 61 Lieder aus 61Jahren

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Die 90er Jahre
Neben einigen Katastrophen (z.B. das ICE-Unglück von Enschede 1998 mit 101 Toten) bestimmen zwei Themen besonders die erste Hälfte der 90er Jahre: Die Wiedervereinigung Deutschlands nach dem Fall der Mauer wird am 3. Oktober 1990 gefeiert. Der 3. Oktober ist seitdem ein Feiertag in Deutschland. Das zweite Thema steht wohl mindestens teilweise im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Es ist der rechte Terror, der sich (nicht nur, aber vor allem) in den neuen Bundesländern ausbreitet. Der erste rassistische Anschlag geschieht jedoch im Westen: In Mölln ermorden Neonazis drei Türkinnen. Der Hass gegen Migranten entlädt sich am heftigsten im selben Jahr im Osten: Rechte werfen Steine und Molotowcocktails, Anwohner applaudieren. Tagelang halten ab dem 22. August 1992 brutale Übergriffe auf Ausländer in Rostock-Lichtenhagen an. Politik und Polizei sind überfordert. Rund 120 Vietnamesen werden in den brennenden Hochhäusern eingekesselt und können sich nur mit Not auf die Dächer flüchten. Wie durch ein Wunder gibt es keine Toten. Wie konnte es dazu kommen? Anfang der 90er Jahre ist die Arbeitslosigkeit in Rostock-Lichtenhagen hoch. Nach der Wende haben viele ehemalige Beschäftigte der Werft ihren Job verloren. In dem mit 18.000 Menschen dicht besiedelten Stadtviertel greift Frustration um sich. Gleichzeitig schnellt infolge des Zusammenbruchs des Sozialismus in Osteuropa in ganz Deutschland die Zahl der Asylbewerber in die Höhe. Die Behörden versagen auch bei der Aufarbeitung der Ereignisse: Die meisten Täter kommen straflos davon.
In den späten 80er und frühen 90er Jahren war es schon wieder schwierig, deutsche Musiker in den Charts zu finden. Einige deutsche Bands wurden mit englischsprachigen Liedern erfolgreich, aber meistens kaufte das deutsche Publikum amerikanische und britische Bands. Mitte des Jahrzehnts begann sich das zu ändern: zuerst mit deutschen Cover-Versionen von älteren Hits, und dann mit neuen Formen wie Techno und Rap. Zudem bahnte sich im Indie-Bereich eine Tendenz an, die zwar nicht die Charts erreichte, aber dennoch im Indie-Bereich bis heute eine wichtige Rolle spielt. Sie wird als „Hamburger Schule“ bezeichnet, obwohl sie sich nicht auf Hamburg beschränkt. Die angedeutete Ähnlichkeit zur akademischen Frankfurter Schule (Adorno, Horkheimer, Habermas) sollte die Beschäftigung mit Themen beschreiben, für die deutschsprachige Musik bislang nicht bekannt war. Sie zeichnet sich vor allem durch deutschsprachige Texte aus. Oft wird ihr ein hoher intellektueller Anspruch zugemessen. Die Texte sind bis heute mit Gesellschaftskritik, linkspolitischer Einstellung und postmodernen Themen verbunden.

  1. Gerhard Gundermann: Brigitta (1992)
    https://www.lyrix.at/t/gerhard-gundermann-brigitta-2e0
    Wer zum Teufel ist Gundermann? Fast jeder Ostdeutsche kannte ihn, im Westen fast niemand. Bob Dylan und Joan Baez kannten ihn. Gundermann spielte bei ihren Konzerten 1994 im Vorprogramm. Und seit 2018 kennt ihn auch so mancher Westdeutsche. Da erschien ein Film über den Baggerfahrer mit Abitur, Rockstar, Stasi-Spitzel „Grigori“ und DDR-Kritiker Gerhard Gundermann. Ein lebender Widerspruch. Das Sprachrohr der Menschen im Braunkohlerevier. Nach 1990 Umweltschützer und Kritiker der Missstände nach der Wiedervereinigung. Gundermann starb 1998 im Alter von 43 2Jahren an einem Schlaganfall.
    Zum Lied: Ein typischer Gundermann-Song: Niedergehende Industriereviere, Leben und Sterben, einfache Alltagsgeschichten, Umwelt, Arbeitslosigkeit, das sind seine Themen. Lieder geprägt von einem melancholischen Unterton. Authentische Lieder eines auch in seinen Widersprüchen authentischen Mannes. Eines Poeten im Führerhäuschen eines mächtigen Baggers.
  2. Silly: Halloween in Ostberlin (1993)
    https://www.songtexte.com/songtext/sill ... f2151.html
    Helmut Kohl hatte den Menschen im Osten Deutschlands blühende Landschaften versprochen. Die Angleichung der Lebensbedingungen in Ost und West lässt noch heute auf sich warten. Sehr schnell gelungen ist sie im Bereich der Musik, wo spätestens seit der Jahrtausendwende niemand fragt, wo ein Song herkommt. Gundermann ist eine Ausnahme. Und natürlich auch Silly. Gegründet wurde die Band 1978 in Berlin-Prenzlauer Berg. Den Behörden gefiel der englische Bandname nicht, also nannte sie sich Familie Silly – mit der Katze Silly als Bandmaskottchen. Anfangs war sie so etwas wie eine NDW-Band des Ostens. Durch die Texte des Albums „Mont Klamott“ (1983) kam es zu Problemen mit der Zensur. Die damaligen Songs von Silly sind meist sehr poetisch und haben versteckte Andeutungen, die sich – vorbei an der Zensur – mit den Lebensumständen in der DDR kritisch auseinandersetzen. Sillys Trick: Man baute „grüne Elefanten“ in die Lieder ein. Das sind Textstücke, die so übertrieben und kritisch waren, dass sie garantiert von der Zensur gestrichen wurden. Neben diesen Übertreibungen konnten dann kleinere, verstecktere Andeutungen im Text verbleiben. Ende der 80er Jahre textete übrigens Gundermann für Silly, man spielte auch gemeinsame Konzerte. Die Besetzung der Band wechselte fast von Beginn an ständig, so auch nach dem Tod der charismatischen Frontfrau Tamara Danz 1996. Bis heute ist Silly aktiv, bis 2018 mit Ana Loos als Sängerin, einer bekannten deutschen Fernsehschauspielerin.
    Zum Lied: „Halloween in Ostberlin“ ist der bekannteste Song des ersten Nachwendealbums „Hurensöhne“. Es wird als der „Sountrack der Postwendedepressionen“ bezeichnet. Die Themen des Songs sind die Arbeitslosigkeit ((„Dann räumen sie von ganz allein / die Buden und die Posten“) und der Umgang mit den früheren volkseigenen Betrieben durch die Treuhand („Die Rosinen sind schon weg, / das macht ihn etwas trocken, / doch in mancher Treu-hinter-hand / klebt noch ein fetter Brocken“) . Die Treuhandanstalt überführte bisher volkseigenes Vermögen der ehemaligen DDR in Privateigentum. Weiter geht es um die umstrittene Aufarbeitung der DDR-Geschichte („Sie schlagen sich die Köpfe ein / mit ihren Stasi-Akten“). Für Fans des Ostrocks traf Sängerin Tamara Danz als Texterin damals mit ihren Bildern vom „Ausverkauf Ostdeutschlands gegen den Willen der Bürger, in einer Gesellschaft, wo nur das Geld regiert“, genau den „Nerv der Zeit“. Im Westen wurde das Album kaum wahrgenommen.
  3. Lucielectric: Mädchen (1993)
    https://genius.com/Lucilectric-madchen-lyrics
    Lucielectric war eine Musikgrupe aus Berlin. Bekannt ist sie durch das „One-Hit-Wonder „Mädchen“ und durch ihre Sängerin Luci van Org. Bekannt ist auch ihr Produzent Ralf Goldkind, der Platten von Nina Hagen und den Fantastischen Vier produzierte. Die Musikerin und Autorin Ina Lucia Hildebrand ist gebürtige Ostberlinerin. Die Band Lucielectric produzierte nur drei Alben. Mit verschiedenen Künstlernamen und in verschiedenen Bands ist Luci van Org bis heute aktiv.
    Zum Lied: Heute findet Luci van Org den Song „antiquiert“, wie sie 2018 in einem Interview des Magazins „Der Spiegel“ sagt. Als das Lied herauskam, waren Text und Botschaft des Liedes ihrer Zeit weit voraus. "Dass eine Frau solche Sachen ausspricht, dass sie ein Recht auf ein eigenes Sexualleben hat, dass sie sich ihre Partner selbst aussucht, dass sie daran auch noch Spaß hat - das war damals eine Sensation."
  4. Die Ärzte: Schrei nach Liebe (1993)
    https://genius.com/Die-arzte-schrei-nach-liebe-lyrics
    Die Ärzte sind neben den Toten Hosen bis heute die bekannteste und erfolgreichste Punk-Band Deutschlands. Ihr Anfang liegt in den frühen 80er Jahren. Ihre Idee: Sie wollten nicht wie andere den Staat und das System kritisieren. Sie wollten lieber den Humor in den Punkrock holen. Nonsense-Rock also, und das verkaufte sich gut, nachdem die beliebte Jugendzeitschrift „Bravo“ sie Mitte der 80er Jahre zum Thema machte. Für weitere Werbung sorgte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften: Einige der Ärzte-Songs kamen auf den Index. Jetzt musste jeder Jugendliche die verbotenen Songs besitzen. In den Konzerten ließ die Band das Publikum die zensierten Zeilen singen. Man spielte vor ausverkauften Häusern, Mädchen fielen in Ohnmacht. 1988 gerät die Band in eine Krise – auch wegen Kreativitätsproblemen. Und dann kam „Schrei nach Liebe“ – dazu später. Bis heute ist die Band aktiv, mit längeren Pausen und Soloalben von Farin Urlaub und Bela Felsenheimer. 1998 gelang mit „Männer sind Schweine“ der erste Nr.-1-Hit.
    Zum Lied: „Schrei nach Liebe“ ist der Song, den Deutschland Mitte der 90er Jahre brauchte. Plötzlich ändert sich alles: Die Ärzte werden politisch – und wie! Auslöser dieser Wende waren die gewalttätigen Angriffe auf Ausländer in Hoyerswerda, Rostock und Solingen. Dies war der Beginn einer Entwicklung, die ihren traurigen Höhepunkt in der neonazistischen Terror-Vereinigung „Nazionalsozialistischer Untergrund (NSU)“ fand. Der NSU ermordete zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin, verübte 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Zuerst wollten die Radiosender das Lied nicht spielen. Grund dafür waren die „Arschloch“-Ausrufe im Text. Dann jedoch wurde der Song zum bis dahin größten Erfolg der Band. 2015 erlebte er eine Renaissance: Nach Angriffen auf Asylbewerberheime startete ein Musiklehrer die „Aktion Arschloch“ gegen Fremdenfeindlichkeit. Ergebnis: Der Anti-Nazi-Klassiker landete erstmals auf Platz 1. Vor einem Song der „Böhsen Onkelz“, die im Text erwähnt werden, einer Band, die mindestens in ihren früheren Jahren ein rechtsradikales Publikum hatte.
  5. Die Prinzen: (Du musst ein) Schwein sein (1995)
    https://genius.com/Die-prinzen-du-mut-e ... ein-lyrics
    Noch eine ehemalige DDR-Band, aber mit einer völlig anderen Erfolgsstory als Silly. Die Prinzen gehören zu (Gesamt-)Deutschlands erfolgreichsten Popbands: Bis 2001 14 Goldene Schallplatten, sechs Platinauszeichnungen, über fünf Millionen verkaufte Tonträger. Zwei Faktoren trugen zu dem Erfolg der Band bei, die schon zu DDR-Zeiten Musik produzierte: Die Umbenennung von „Herzbuben“ in „Die Prinzen“ und die Begegnung (1990) mit der Popsängerin und Musikproduzentin Annette Humppe. Weitere Popularität erlangte das Quintett durch die Tour mit Rock-Opa Udo Lindenberg 1992. Explizit politisch wurden die Prinzen nach erfolgreichen Alben in den frühen 90ern 2001 mit „Deutschland“, einer provokanten Kritik ihres Heimatlandes. Nicht alle Fans der Band kamen damit klar. Die besondere Stärke der Band liegt bis heute in ihrer musikalischen Vielseitigkeit mit stets wechselnden musikalischen Arrangements.
    Zum Lied: Mit ihrem Album „Schweine“ änderten die Prinzen ihren Stil. Die Musik wurde rockiger, die Band nutzte mehr elektronische Hilfsmittel. Die Texte beschäftigten sich mehr mit Sex und Gesellschaft, die Wortwahl wurde aggressiver. Die zentrale Aussage („Du musst ein Schwein sein in dieser Welt“) stand im krassen Gegensatz zu den vorherigen drei Alben. Sie war nur teilweise ironisch gemeint. Bei dieser letzten Prinzen-Platte der Produzentin Humppe wirkte sie neben Udo Lindenberg auch bei Text und Musik mit.
  6. Rammstein: Engel (1997)
    https://genius.com/Rammstein-engel-lyrics
    Die 90er Jahre sind arm an Welterfolgen deutschsprachiger Songs. Die „Neue Deutsche Härte“-Band Rammstein ist die Ausnahme. Rammstein provoziert. Rammstein ist erfolgreich bis heute: Rekord an verkauften Platten, umjubelte Tourneen rund um den Globus. Im manchen Ländern sind Rammstein bekannter als der deutsche Bundeskanzler, bekannter als der Bundespräsident sowieso. Die Ursprünge der Band reichen bis in die DDR zurück. Die Bandmitglieder spielten in verschiedenen Combos aus dem Punk-Milieu. Von Schwerin aus, wo Sänger Till Lindemann (Jugend-Vizemeister der DDR im Schwimmen) als Korbflechter arbeitete, machten sich Rammstein an die Arbeit. Zuerst als Quartett, schließlich als Sextett. Das Ausland sah Rammstein in der Tradition von Alice Cooper und Marilyn Manson, nur schlichter und humorloser. Einzigartig in der deutschen Rockszene wurden sie durch ihre expressiven und kontroversen Texte. Die Mischung macht’s. In Amerika feierte Rammstein Erfolge durch David Lynchs Film „Lost Highway“ – mit zwei Rammstein-Songs. Das zweite Rammstein-Album „Sehnsucht“ stürmte 1997 die US-Charts. Rammstein sind die Meister der gekonnten Provokation. Sie interpretieren ihr Auftreten und das Spielen mit Symbolen nicht. Heftigste Neo-Nazi-Vorwürfe handelten sie sich 1998 mit dem Video zum Depeche-Mode-Cover „Stripped“ ein: Sie integrierten Bilder des Nazi-Propagandafilms „Olympia“ von Leni Riefenstahl. Bis heute bleibt die Faszination von Rammstein ungebrochen. Das liegt vor allem im weltweit einzigartigen Pyrotechnik-Spektakel der Band in ihren Live-Shows.
    Zum Lied: „Engel“ ist der Punkt, an dem Rammstein zu einer Instanz wurden. Dazu trug auch das Video bei: Es war inspiriert von der berühmten Schlangentanz-Szene mit Salma Hayek aus dem Film „From Dusk to Dawn“. Die ästhetischen Elemente des Videos führten dazu, dass MTV seine Ausstrahlung verweigerte.Das Lied bleibt ein Klassiker auf allen Rammstein-Konzerten bis heute.
  7. Freundeskreis: A-N N-A (1997)
    https://genius.com/Freundeskreis-a-n-n-a-lyrics
    Die 90er Jahre brachten nicht viele herausragende Songs hervor. Sie legten jedoch die Grundlage für so manches, was im neuen Jahrtausend Trend im deutschen Pop wurde. Dazu gehört zweifellos deutschsprachiger Rap. Natürlich wurde auch in den 80er Jahren schon gerappt, aber vorwiegend auf Englisch. Eines der ersten Zentren deutschsprachigen Raps war Stuttgart mit den „Fanatastischen Vier“ und „Freundeskreis“. Freundeskreis vertritt den „Conscious Rap“: In ihren politischen Texten setzten sie sich für Gleichberechtigung und internationale Verständigung ein. Nach zwei erfolgreichen Alben schloss sich Freundeskreis mit anderen Rappern zur „Posse FK Allstars“ zusammen. Im Jahr 2000 wurde dem Kopf der Gruppe, Max Herre, der Medienrummel um seine Person zu bunt, die Band legte eine künstlerische Pause ein. Er verlegte sich aufs Produzieren und brachte 2004 ein Solo-Album heraus. 2007 kam es zu einer Wiedervereinigung der Band bei Festivals und einem Abschiedskonzert in Stuttgart. Nach einer weiteren zehnjährigen Pause trat Freundeskreis nochmals auf.
    Zum Lied: „A-N-N-A“ ist die erste Single-Auskoppelung aus der ersten Freundeskreis-LP „Quadratur des Kreises“.„Du bist von hinten wie von vorne A-N-N-A“ – Das ist eine Zeile aus dem Gedicht „An Anna Blume“ des Dada-Künstlers Kurt Schwitters aus dem Jahr 1919.
  8. Tic Tac Toe: Warum? (1997)
    https://genius.com/Tic-tac-toe-warum-lyrics
    Tic Tac Toe war die erste deutsche Girlgroup. Gegründet wurde sie 1995. Nach zwei erfolgreichen Alben trennte sich die Gruppe 1997. Von 2005 bis 2007 kam es zu einem kurzen Comeback. Die Gruppe zählt zu den erfolgreichsten Girlgroups Europas mit über 6 Millionen verkauften Tonträgern, 4 Millionen davon alleine in Deutschland. Wahrscheinlich ist Tic Tac Toe durch ein Casting zusammengekommen. Anfangs gelang es jedoch, die Gruppe als vermeintlich authentisches und freches Gegenmodell zu den üblichen Girlgroups zu vermarkten. Die Presse kommentierte die beiden Alben negativ, aber das junge Publikum liebte sie. Skandale erschütterten das Image der drei Girls: Sie hatten ihr wahres Alter verschwiegen, die Heirat einer von ihnen ebenso wie die kurze Karriere als Prostituierte einer anderen. Hinzu kam der Suizid des besagten Ehemanns nach Beziehungsproblemen. Ende 1997 kam es vor laufender Kamera während einer legendären Pressekonferenz zur Trennung.
    Zum Lied: Tic Tac Toe war für Deutschland etwas Neues. Sie übernahmen eine Entwicklung, die in den USA bereits von Contemporary-R&B-Sängerinnen durchlaufen worden war. Man sang auf Deutsch über Themen wie Beziehung, Rollenbild, Geschlechterkampf und Sex. Die Girlgroup war mit Titeln wie Fick’ dich selber oder Ich find dich scheiße auf Provokation hin konzipiert. Die Teenies der 90er empfanden das als Befreiung: Du musst dir nichts gefallen lassen, du kannst über dich selbst bestimmen. Tic Tac Toe waren feministisch und antirassistisch. Gegenüber der Mehrheit ihrer Songs ist „Warum“ eine Ausnahme. Geschrieben hat den Song Thorsten Börger (Falcos „Out of the dark“ stammt von ihm). Im Lied geht es sehr persönlich zu. Eine sehr enge Freundin der Band mit dem Namen Melanie ist der Grund für das Lied. Sie war drogenabhängig und starb an einer Überdosis.
  9. Die Sterne: Das bisschen besser (1999)
    https://genius.com/Die-sterne-das-bissc ... ser-lyrics
    Neben dem Rap brachten die 90er Jahre eine weitere Entwicklung der deutschen Popmusik: Neue Indie-Pop-Bands. Bekannt wurde sie als „Hamburger Schule“, die an die Tradition der NDW anknüpfte. Sie verband sie mit Elementen von Indie-Pop, Punk, Grunge und Pop und brachte ein neues Selbstverständnis für den Gebrauch der deutschen Sprache in der Popmusik mit sich. Hamburger Schule, das erinnert an die akademische Frankfurter Schule. Der Begriff weist hin auf den hohen intellektuellen Anspruch der Texte: Popmusik mit gesellschaftskritischen Themen, linkspolitischer Einstellung und postmodernen Themen. Mitte der 90er Jahre waren vor allem drei Bands recht erfolgreich: Die Sterne, Blumfeld und Tocotronic. Mit der Etablierung einer landesweiten, deutschsprachigen Indiepopszene verlor der Begriff „Hamburger Schule“ allerdings allmählich an Bedeutung. „Die Sterne“ wurden 1991 gegründet. Wichtige Einflüsse in ihrer Musik sind Indie-Pop, Hiphop, Soul und Funk. Thematisch bewegen sich die Texte zwischen Politik und Privatem, werden aber nie plakativ.
    Zum Lied: Ein Silvestersong. Neu sind in diesem fünften Sterne-Album die „elektronischen Frickeleien“, die von der Kritik positiv beurteilt wurden. Easy listening, aber mit Texten voller Widerhaken und Zeilen, die zur Reflexion einladen: „Es hat keinen Sinn zu warten, bis es besser würde: Das bisschen besser wär das Warten nicht wert.“ Eine kritische Momentaufnahme zum Beginn des neuen Jahres, listig in Schönheit verpackt.
  10. Die Fantastischen Vier: MfG (1999)
    https://www.songtexte.com/songtext/die- ... a6d7e.html
    Erklärung der Abkürzungen: https://www.bdrp.ch/system/files/docs/2 ... n_vier.pdf
    1989: Der Debütauftritt des ersten deutschsprachigen Hip-Hop-Acts. Und das auf einem Batman-Fest. Frischer Wind kommt in die oft langweilige Musiklandschaft Deutschlands, aus gerechnet aus Stuggitown, Stuttgart, dem größten deutschen Dorf mit Straßenbahn, wie Spötter damals sagten. Richtig los geht’s dann 1992 mit „Die Da“. Der Hir öffnet den Zugang zu den Massenmedien. Das zweite Album ein Jahr später bringt dann den entscheidenden Schritt: Das Gegenteil von Gangsta-Hip Hop-Act mit nachdenklichen und ausgefeilten Texten . Das Publikum ist verwirrt. 1995 das dritte Album, auf dem gleichen Weg, mit klassisch dickem Ego-Boosting. S.W.A.: Die Schwaben with attitude. Das nächste Album „4:99“ bringt den Superhit „MfG“. 2001 folgt die erste MTV Unplugged Session eines deutschen Hip Hop Acts in einer Höhle im Sauerland. Der Erfolg der Stuttgarter bleibt weiter ungebrochen, so sehen die Tournee zum Album "Viel" 160.000 Fans in 21 Städten. Nach der Corona Pause geht es ungebremst weiter: Über 250.000 Fans besuchen 2022 die nachgeholte Jubiläumsstadiontour. 2023 dann wieder ein Tonträger - wenn auch erneut ohne neues Material. "The Liechtenstein Tapes", eingespielt in den liechtensteinisch-österreichischen The Little Big Beat Studios, beinhaltet 15 Neuinterpretationen bzw. Neuaufnahmen ihrer "größten Songs aus ganz unterschiedlichen Epochen - so wie sie heute klingen müssen", befindet die Band.
    Zum Lied: Der ideale Song zum Lernen des deutschen Alphabets. Die Band kritisiert mit diesem Lied die Entwicklung der Deutschen Sprache mit ihren zahlreichen Abkürzungen und Akronymen. Deren wörtliche Bedeutung hat man teilweise noch nie gehört. Das verweist auf die Entfremdungstendenzen unserer heutigen Gesellschaft. Neben den Abkürzungen enthalten die Strophen kurze (ab)wertende Kommentare: „Ihr könnt mich ma’ (mal) = das berühmte Zitat auf Goethes „Götz von Berlichingen“; „ojemine“ (Ausruf des Erstaunens oder Erschreckens, entstellt aus lateinisch Jesu domine = o Herr Jesus!), „Is nich ok (umgangssprachlich, „ist nicht ok“), hahaha (Lachen), „tatütata“ (Sirene eines Polizeiautos), „oleole“ (Fußballschlachtruf), „is was ich dreh“ (ist was ich drehe“). Der Refrain ist voller Wortspiele:
    „Die Welt liegt uns zu Füßen“ = im übertragenen Sinne „Wir haben im Leben alle Möglichkeiten, Chancen“
    „Wir stehen drauf (darauf)“ = im übertragenen Sinn „etwas mögen“
    „Wir gehen drauf“ = im übertragenen Sinn „zugrunde gehen“
    „(für ein Leben voller) Schall und Rauch“ = bedeutungslos, bald vergessen (Ursprünglich ein Zitat aus Goethes „Faust“: „Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch“
    „Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf“ – Auffallen = Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
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Chrisinom
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Re: YouTube Playlist 61 Lieder aus 61Jahren

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2000 – 2010
Das neue Jahrtausend beginnt und endet mit zwei einschneidenden Ereignissen weltweit, die auch auf Deutschland Einfluss haben: Am 11. September 2001 verübte die islamistische Terrororganisation Al Quaida Terroranschläge auf zivile und militärische Gebäude in den USA. 2996 Menschen starben. Eine Reaktion darauf war der zweite Golfkrieg 2003, die mit dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein endete. Deutschland, 2001 noch auf der Seite der USA, versuchte unter der rot-grünen Regierung Schröder, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Zum Ende des Jahrzehnts (2008) erfasste die Weltwirtschaftskrise nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehmann Brothers auch Deutschland. Deutschland hatte sich nach Gerhard Schröders „Agenda 2010“ im Jahre 2003 wirtschaftlich erholt, litt jedoch unter den sozialen Spannungen im Gefolge der Reformen.
Das zweite große innenpolitische Thema waren die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), einer neofaschistischen Terrorzelle, zwischen 2000 und 2006. Die Polizei fokussierte sich lange auf die 9 türkischstämmigen Opfer und ihre Familien, die viktimisiert und stigmatisiert wurden. Die zwei Haupttäter begingen 2011 Suizid, um der Verhaftung zu entgehen. Ihre Komplizin wurde 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Unter anderem in den Genres Hip-Hop/Rap, Pop und Rock hat die deutsche Sprache in der Musikszene der Nuller-Jahre als Sprachrohr unterschiedlicher Generationen und unterschiedlicher sozialer Milieus an Relevanz gewonnen. Deutsche Popgruppen wie „Wir sind Helden“, „Silbermond“, „Juli“, „Sportfreunde Stiller“ und natürlich „Tokio Hotel“ rockten die Charts ebenso wie die „Altrocker“ Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer und die alten Punkrocker „Die Toten Hosen“ und „Die Ärzte“. Rapper wie die „Fanta4“ waren ebenso angesagt wie die Indie-Szene im Gefolger der „Hamburger Schule“.

  1. Blumfeld: Testament der Angst (2001)
    Text: https://genius.com/Blumfeld-testament-der-angst-lyrics
    Typisch für die Hamburger Schule: Bereits der Name der Band ist kafkaesk. "Blumfeld, ein älterer Junggeselle, stieg eines abends zu seiner Wohnung hinauf, was eine mühselige Arbeit war, denn er wohnte im sechsten Stock.“ So beginnt Kafkas Erzählung, nach der sich die Band benannte. Gegründet 1990, veröffentlichte Blumfeld den ersten Longplayer 1992. Bis 2006 folgten vier weitere Alben. 2007 gab die Band ihre Auflösung bekannt. Ihr Kopf und Frontmann Jochen Diestelmeyer startete eine Solokarriere mit bislang drei Alben.
    Zum Lied: Als das Album mit dem gleichnamigen Song im Mai 2001 erschien, wirkten Zeilen wie „Ich hab Angst vor Deutschland / Ich hab Angst vor Europa / Den USA und der Nato“ noch nicht wirklich greifbar; es gab keinen Krieg, durch den Europa und die USA den deutschen Alltag bestimmten. Die Welt war noch nicht so sehr aus den Fugen geraten, wie sie es nach Nine Eleven sein würde. Erst dann wurde „Testament der Angst“ als Protest-Album bekannt. Nach den stark politisch geprägten ersten zwei Alben hatte Blumfeld eher Mainstream-Pop geboten. Die Texte griffen klassische Themen wie Liebe, Kunst, Geschichte und Vergänglichkeit auf, die Sprache war eher konventionell. „Testament der Angst“ wie auch das Nachfolgealbum „Jenseits von jedem“ war auch kommerziell erfolgreich und stieg in die Top 10 der deutschen Charts auf. Der Song wie das gesamte Album setzte auf eine präzise, wenig verschlüsselte Sprache. Distelmeyer brachte Fantasien zu Papier, die in der deutschsprachigen Musik zu Beginn des Jahrtausends unverwechselbar waren. Die totale Ausweglosigkeit. Als dann der Elfte September kam, war „Testament der Angst“ eine Anleitung zum Unglücklichsein: Die berühmte „German angst“.
  2. Herbert Grönemeyer: Mensch (2002)
    Text: https://www.songtexte.com/songtext/herb ... cf750.html
    Deutschlands kommerziell erfolgreichster Rocker, Jahrgang 1955, arbeitete vor seinem ersten Plattenerfolg als musikalischer Leiter des Schauspielhauses Bochum und als Filmschauspieler in einem Welterfolg: „Das Boot“. Seit seinem fünften Album „Bochum“ (1984) kennt ihn ganz Deutschland als Sänger. Zuvor hatte er sein Label wegen Erfolglosigkeit wechseln müssen. Das fünfte Album des Songwriters ging durch die Decke und erhielt in Deutschland, Österreich und der Schweiz mehr als 25 Platin-Auszeichnungen. Grönemeyer legte den Fokus auf die Geschichten, die ihm vor der Nase lagen: Deshalb und nur deshalb gelten heute nicht einfach nur das Album als solches, sondern auch die Hälfte der Tracks für sich stehend als deutsches Kulturgut. Weitere höchst erfolgreiche Alben folgten. Außerdem gab er die zwei größten Konzerte, die je ein deutscher Rockmusiker gespielt hat: Wiener Praterstadion mit 50.000 und Berlin-Ahrensfelde (1991) mit 100.000 Zuschauern. Größeres Aufsehen erregte er ebenfalls, als er 1994 als erster nicht englisch singender Musiker eingeladen wurde, bei "MTV Unplugged" aufzutreten. Nach seinem neunten Album 1998 lebte Grönemeyer – bis auf die anschließende Tour 1999 – überwiegend in England. Warum ,dazu später. Dort nahm er auch sein Comebackalbum „Mensch“ auf. Bis heute bleibt Grönemeyer produktiv und zuschauertechnisch in einer eigenen Liga. Soeben ist sein neues Album „Das ist so“ erschienen. Nennenswert noch sein Song „Zeit dass sich was dreht“, der offizielle Song der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die im Herbst 2012 erscheinende LP "I Walk" bringt Hits und Nuggets auf Englisch. Der Mann mit der Reibeisen-Stimme zeigt weiterhin eine klare politische Haltung und setzt Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Und das mit Erfolg: Grönemeyer ist mit 74 Nummer-eins-Wochen der am häufigsten an der Spitze der Album-Charts platzierte Künstler. Insgesamt 13 Grönemeyer-Platten landeten auf Platz eins.
    Zum Lied: „Mensch“ war auch biografisch ein wichtiges Album im Schaffen des Musikers. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Vorgängeralbums „Bleibt Alles Anders“ verlor Grönemeyer 1998 zuerst einen seiner Brüder, wenige später starb seine Ehefrau Anna Henke-Grönemeyer. Grönemeyer zog sich daraufhin zurück, bis zur Veröffentlichung von „Mensch“ vergingen vier Jahre. Die Stücke des Albums behandelt die Themen Abschied, Tod und Trauer. Grönemeyer leistet mit deinen Songs Trauerarbeit. Aber das Lied ist mehr: Für viele drückt der Musiker genau das aus, was sie empfinden, wenn sie einen geliebten Menschen verlieren. So kommt es, dass der Text jetzt immer häufiger in Todesanzeigen zitiert wird. Nicht die Bibel, nicht Kant oder Goethe - nein, Grönemeyer. Viele Menschen fanden zudem 2002 Trost in Grönemeyers Lied nach der Jahrhundertflut an der Elbe.
  3. Wir sind Helden: Denkmal (2003)
    https://genius.com/Wir-sind-helden-denkmal-lyrics
    Die deutschsprachige Popmusik hat um die Jahrtausendwende unter anderem drei besondere Bands hervorgebracht, die aufgrund ihrer Besetzung und ihres Charakters gut zu vergleichen sind: Die „4 Instrumentalisten + 1 Sängerin“-Bands Wir sind Helden, Juli und Silbermond. Alle drei haben Preise gewonnen und singen in ausverkauften Hallen. Alle drei werden als authentisch und integer wahrgenommen, wenn sie von all den ernsten Themen singen, die (nicht nur) die Jugend bewegen. Keine lauten, provokanten Skandalschreie, aber auch kein seichter Kitsch. Durchaus zu vollstem Instrumentalklang fähig, aber als Ausgleich stets die sanfte, schlichte Stimme der Sängerin. „Wir sind Helden“ sind frecher, gesellschaftskritischer als die zwei anderen. Doch immer bleibt dabei auch so eine Art humorvolle Note. Und sie haben die charismatischste Frontfrau: Judith Holfelder alias Judith Holofernes, die in Freiburg als Straßenmusikerin erste Erfahrungen sammelte. „Wir sind Helden“ beschreiben ihre Musik als "Synthie-Punk-Pop", der sich in "28 % Synthie, 34 % Punk und 38 % Pop" aufschlüsselt. Assoziationen an die besseren Songs der Neuen Deutschen Welle sind erlaubt und beabsichtigt. Mit manchmal naiv wirkenden und doch überlegten Lyrics beweisen „Wir sind Helden“ ihr Gespür für farbigen Umgang mit der deutschen Sprache. Auf das erfolgreiche erste Album „Die Reklamation“ 2003 folgte „Von hier an blind“. Es wird von iTunes als "persönlicher Geheimtipp" angepriesen. Die Strategie zeigt Wirkung: im Februar 2006 steht "Von Hier An Blind" bereits auf Platz 16 der US-iTunes-Charts. Nach zwei weiteren Alben wird es ruhig um die Band. Anfang April im Jahr 2012 geben „Wir Sind Helden“ ihre Auflösung bekannt. Mit einem fröhlichen "Wir sind erstmal raus!" beschließen sie vorläufig ihre Karriere.
    Zum Lied: „Denkmal“ ist die vierte Single aus dem Debütalbum „Die Reklamation“. Der Song handelt von einem Liebespaar, dessen Beziehung von Außenstehenden mit einem Denkmal geehrt wird. Jedoch wehren sich die beiden dagegen, da ihre Beziehung nicht auf die Bewertung von anderen angewiesen sei und sie selbst ihre Liebe und ihren Zusammenhalt definieren. Schließlich zerstören sie das Denkmal, um gegen die gesellschaftliche Erwartungshaltung zu protestieren. Das Lied ist der Lovesong auf dem Album. Ungewöhnlich unkitschig – schließlich hält der Text das Bild des Denkmals die ganze Zeit aufrecht – und doch hoffnungslos romantisch. Nie war Vandalismus so herzergreifend. Hol den Vorschlaghammer!
  4. Annett Louisan: Eve (2005)
    https://www.songtexte.com/songtext/anne ... a76a9.html
    Selten erlebte man bei einer deutschsprachigen Künstlerin beim Albumdebüt (Bohème) eine so vielfältige Mischung aus Koketterie, samtenem (Musik)-Augenaufschlag und gleichzeitiger Selbstsicherheit. Annett Louisan kommt im April 1979 in Havelberg in der damaligen DDR zur Welt. Sie wird von der Mutter aufgezogen. Ihren Vater lernt sie viel später kennen, und dies nur ein Mal bei einem kurzen Treffen. Nach der Wende 1989 zieht Annett mit ihrer Mutter nach Hamburg. Nach Abschluss der Schule beginnt sie ein Kunststudium und finanziert es Studium durch Gelegenheitsjobs als Studiosängerin. Ihre Solo-Karriere beginnt 2003. Bis heute hat sie es auf 10 Studioalben gebracht, zuletzt im Februar 2023.
    Zum Lied: Die Musik von Annett Louisan ist ein Mix von Strukturen, deren Wurzeln ebenso im französischen Chanson wie in der eleganten Tradition des klassisch amerikanischen Songwritings liegen, angereichert mit Folkelementen und etwas Jazz. Spätere Werke bearbeiten ein weit breiter gefächertes Feld, das auch Elemente aus Folk, Rock und Sixties beinhaltet. Einige Songs stehen in der Tradition klassischen Singer/Songwritertums. Künstlerische Weiterentwicklung bedeutet für Annett Louisan nicht nur eine Phrase. „Eve“ ist vielleicht nicht ihr bester Song, aber er ist sehr beliebt bei Sprachlehrern: Ein Lied mit so vielen Adjektiven auf -iv gibt es nicht ein zweites Mal.
  5. Element of Crime: Delmenhorst (2005)
    https://www.songtexte.com/songtext/elem ... 9a6e3.html
    Melancholisch-chansoneske Pop- und Rockmusik – das ist Element of Crime, die Band des Buch- und Drehbuchautors Sven Regener. Der Bandname ist dem gleichnamigen Titel eines Films vom Lars von Trier entnommen. Gegründet 1985, ist die Anfangszeit der Band englisch. Das erste Album „Try to be Mensch“ wurde von John Cale in London produziert. Ende der 80er Jahre adaptierte Element of Crime Lieder von Kurt Weill, mit wenig Erfolg. Man entschied sich für eine grundlegende Reform: Von jetzt an waren die Texte deutschsprachig. 1992 spielte die Band im Vorprogramm von Herbert Grönemeyer. 1993 folgte die erste Single, die in den Charts landete. Am 30. September 2005 erschien das Album "Mittelpunkt der Welt“, das auf Platz 7 der Albumcharts einstieg. Die bereits am 12. September 2005 veröffentlichte Single Delmenhorst brachte der Band die erste Platzierung in den deutschen Single-Charts ein: Sie rangierte vier Wochen unter den Top 100. Es folgten weitere erfolgreiche Alben: 2010 erhielt die Band ihre erste Goldene Schallplatte. Im Mai 2018 spielte die Band in der Elbphilharmonie in Hamburg. Soeben (April 2023) ist ihr neuestes Album „Morgens um vier“ erschienen.
    Zum Lied: „Hinter Huchting ist ein Graben / Der ist weder breit noch tief / Und dann kommt gleich "Getränke Hoffmann" / Sag' Bescheid, wenn du mich liebst“. Gewünscht: Eine Liebeserklärung als umgangssprachliche Mitteilung. Am Mittelpunkt der Weit, Delmenhorst, einem ziemlich trostlosen Ort an der Autobahn zwischen Oldenburg und Bremen. „Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist“ – was jetzt, jetzt oder immer? Der Graben zwischen den beiden (wohl nicht mehr) Liebenden ist wohl breiter als der hinter Huchting. Für Trennungsphasen gibt es wohl keine bessere Adresse als Element Of Crime, denn „Erst wenn alles scheißegal ist / Macht das Leben wieder Spaß.“ Und zur Not gibt es ja auch noch Getränke Hoffmann, denn „Hinter Huchting ist ein Graben / In den sich einer übergibt.“
  6. Clueso: Chicago (2006)
    https://genius.com/Clueso-chicago-lyrics
    Der 1980 in Erfurt geborene Thomas Hübner beweist durch die Wahl seines Künstlernamens eine feine Nase für Humor und Selbstironie. Hübner ist ein Fan des ebenso genialen wie tollpatschigen Inspektors Clouseau, gespielt von Peter Sellers. Seine Schulzeit beschreibt er als sehr schwierig; er beendete seine schulische Laufbahn mit dem Hauptschulabschluss und nahm anschließend eine Ausbildung zum Friseur auf, die er jedoch nicht abschloss. Breakdance und Freestyle-Rap kamen bei den Mädels besser an als ein Friseur. Es folgten Bands der Thüringer Szene, Liebe zu Reggae. 1998 siedelte Clueso nach Köln um, kehrte dann nach Erfurt zurück und ließ sich anschließend vom Goethe-Institut durch die Welt schicken: Italien Australien, Neuseeland. In aller Herren Länder trat er auf und bot Workshops an. Nach seiner Rückkehr schaffte er es ins Vorprogramm der Fantastischen Vier. Die Eindrücke seiner ausgedehnten Reisen, aber auch seine Verbundenheit zur Heimat Thüringen spiegeln sich in Cluesos drittem Longplayer wider. "Weit Weg" erschien im Mai 2006. In seinen durchdachten Songwriting kombiniert er Einflüsse aus Funk, Reggae, Hip Hop und Jazz zu feinen Popsongs. "Weit Weg" übertraf mit einem zwölften Platz in den Albumcharts alle Erwartungen. Clueso startete durch. 2007 war er als Support-Act auf Grönemeyers Stadiontour zu "12" mit dabei. Weitere erfolgreiche Alben und Konzerte mit Udo Lindenberg, BAP und den Fantastischen Vier folgten.
    Zum Song: Durch seinen einfachen harmonischen Aufbau, seine Sprachmelodie und den eingängigen Refrain mit den vielen Wortwiederholungen ist „Chicago“ einer der bekanntesten und beliebtesten Songs von Clueso. Die konventionelle, harmonische musikale Gestaltung des Songs steht im Kontrast zu seinem Inhalt: Der Song befasst sich mit dem Thema des Drogenkonsums junger Menschen in Deutschland. Um die Jahrtausendwende nahmen ca. 10 % aller 18- bis 39-jährigen illegale Drogen. Jährlich kamen zwischen 1000 und 2000 Menschen durch den Konsum ebendieser ums Leben. Ein lyrisches Ich beschreibt in CHICAGO das Leben und die Gefühle eines drogenabhängigen Mädchens, das vermutlich auch als Prostituierte arbeitet, um an Geld für ihre Drogen zu kommen. Es wird erzählt, wie sie regelmäßig versucht, sich aus ihrem Alltag wegzuträumen, und wie sie schließlich an einer Überdosis stirbt. Auffällig am Text ist die ständige Wiederholung und Betonung des Wortes Chicago, das als Traum oder als Metapher für einen Ausweg zu verstehen ist.
  7. Erdmöbel: Weihnachten (ist mir doch egal) (2006)
    https://www.songtexte.com/songtext/erdm ... 6c2d3.html
    Noch eine Indie-Band, und dazu noch mit einem Namen, der aus der Ex-DDR stammt: Das Erdmöbel ist der Sarg. Die Band gründete sich 1995 in Köln. 2005 erschien bereits das sechste Album, und zu Weihnachten wurde „White Christmas“ gecovert. Covern ist sowieso eine Spezialität von Erdmöbel. Fantastisch zum Beispiel „Nah bei dir“, ein Cover des Bacharach-Songs „Close to you“ (The Carpenters). Im Mai 2007 erschien „No. 1 Hits“ mit Coversongs von Nirvana über Kraftwerk bis zu den Crash Test Dummies. Weitere Alben folgen. Markenzeichen der Band bleiben die ausgefeilte Textarbeit, die sich fernab üblicher Pop- und RRock-Schemata bewegt. Mal melancholisch, mal tanzbar, mal einfach nur um Stimmung und Atmosphäre bemüht.
    Zum Song: Das erste Weihnachtslied von Erdmöbel. Seitdem meldet sich die Band jedes Jahr wieder mit einem neuen Weihnachtslied. Der Titel im Corona-Jahr 2020 lautete zeitgemäß „Beherberbungsverbot“. Ein Wortmonster, wie es nur die deutsche Sprache zustande bringt. Das erste, das „Wham“-Cover, ist für die Menschen, die Weihnachten nicht mit Wham, aber auch nicht ohne Erdmöbel vertragen. Erdmöbels Weihnachten ist ein billiger Ring aus dem Kaugummiautomat, ein Herz, umweltfreundlich nicht in Papier verpackt, der Verzicht auf den Skiurlaub zwischen Weihnachten und Neujahr. Das solle die Reichen machen, die fahren die Welt kaputt. Immerhin schafften Erdmöbel es damit zum ersten Mal in die deutschen Charts.
  8. Tokio Hotel: Übers Ende der Welt (2007)
    https://genius.com/Tokio-hotel-ubers-en ... elt-lyrics
    So ein Zufall: Hat doch der Computer mein „Welt“ in „Welterfolg“ komplettiert! Als eine von wenigen deutschsprachigen Bands wurde Tokio Hotel auch international erfolgreich und konnte unter anderem in vielen Ländern Europas, so z. B. in Frankreich sowie in Nord- und Südamerika eine Fan-Basis aufbauen. In den Vereinigten Staaten erreichte das Album Scream Platz 39 der offiziellen Billboard Charts, in Kanada kam es auf Platz 6. Französische Schülerinnen und Schüler lernten wegen Tokio Hotel Deutsch – kaum vorstellbar. Getriggert wurde der Erfolg durch die Single „Durch den Monsun“. Der Song profitiert von poppigen Melodien und der damit einhergehenden Eingängigkeit. Er klingt dabei nicht einmal halb so wild, wie es das Outfit der Band vermuten lässt. Für Verwirrung sorgt Sänger Bill Kaulitz: Seine Stimme ist typisch für einen 15-jährigen, der Stimmbruch lässt noch auf sich warten. Sein Äußeres ist androgyn: Steht da ein Mädchen oder ein Junge am Mikro? Jede Menge Haarlack, Kajal, schwarz lackierte Fingernägel – und Rock ist die Musik (noch) nicht. Kaulitz ist auch ein Produkt eines Phänomens, das im zweiten Jahrzehnt de neuen Jahrhunderts wichtig wird: Er nahm an der Kinder-Ausgabe der Casting-Show Star Search teil und kommt bis ins Achtelfinale. Seine Erfurter Band heißt zunächst „Devilish“. Toko Hotel klingt natürlich besser, stylish. Mit der ersten Single ist der Erfolg geschafft. Bei ihren Konzerten kippen fast täglich über 100 junge Fans um. Im Februar 2006 kollabieren bei einem Konzert in Trier sogar über 200 Mädchen. Nach dem zweiten Album „Zimmer 483“ (2007) ist der Durchbruch international geschafft: 2008 folgt eine USA-Tour und der Preis für den „Best New Artist“ der MTV Music Awards. Es folgt ein drittes Album 2009, 2010 taucht die Band für vier Jahre ab, 2014 wird das fünfte Album zum Flop. Es folgen ein Solo-Projekt von Bill Kaulitz, 2017 und 2022 zwei weitere Alben.
    Zum Song: „Übers Ende der Welt, vorab als Single erschienen, ist der erste Song der zweiten LP. Bill Kaulitz wimmert: „Achtung, fertig, los und lauf / Vor uns bricht der Himmel auf / Wir schaffen es zusammen / Übers Ende dieser Welt / Die hinter uns zerfällt.“ Man könnte darin Trost und Hoffnung finden, und Millionen Kinder werden das wohl besser tun. Zumal der Videoclip dazu in einer Zukunft spielt, die ihre Jugend in traurigen Kolonnen und in betonierten Arbeitslagern aufmarschieren lässt. Musikalische ist das harmlos, sogar belanglos. Das Ende der Welt stellt man sich etwas bedrückender vor.
  9. Udo Lindenberg: Ich mach mein Ding (2008)
    https://www.songtexte.com/songtext/udo- ... a74a1.html
    Nach den ganz jungen der ganz alte: Udo Lindenberg. Panik-Udo. Der Überzeugungstäter, der seine Musik lebt. Bereits mit zwölf Jahren erhält der 1946 im westfälischen Gronau geborene Sohn eines Klempnermeisters beim norddeutschen Jazz Jamboree einen Preis als bester Dixie Drummer. Ein Leben voller Anekdoten. Mit 17 Jahren auf Tournee, unter anderem in Libyen. 1973 der erste Erfolg mit der dritten LP "Alles klar auf der Andrea Doria". 1979 auf Tour mit Eric Burdon, von Peter Zadeck inszeniert. 1980 erster Versuch als Filmproduzent. 1983 Auftritt in Ostberlin im Palast der Republik. 1985 bei den Weltfestspielen in der Sowjetunion. 1987 Besuch Erich Honeckers bei Udo in Wuppertal, Udo schenkt Erich eine Lederjacke, darf aber nicht mit dem „Sonderzug nach Pankow“ auf Tournee in die DDR. Erhält aber das Bundesverdienstkreuz und darf 1999 zum zehnjährigen Jubiläum des Mauerfalls am Brandenburger Tor spielen. 2008 verleiht er erstmals den "Panik Preis". In Anlehnung an sein Vorbild Hermann Hesse will er jungen Musikern Entwicklungshilfe geben. All die Jahre über war Udo Lindenberg sich nie zu schade, sein Können, seine Persönlichkeit und seine Gesundheit in die Waagschale zu werfen. Udo zählt zu den produktivsten und lebendigsten Urvätern des deutschen Rock. Und auch da lässt er sich nicht in eine Schublade stecken: Das Jonglieren und Einbringen von Elementen aus Blues, Jazz, Honky Tonk und Boogie sind und bleiben stetige Bereicherung und Ergänzung. Und wenn er nicht gestorben ist, dann mach er auch heute noch „sein Ding“.
    Zum Song: 2020 erscheint ein Fernsehfilm über Udo Lindenbergs frühe Jahre. Der Titel: „Lindenberg! Mach dein Ding“. Seine erfolgreichste Tournee heißt „Mein Ding“. Der Song ist so etwas wie Udos Lebensmotto: Er macht, wie jeder halbwegs rhetorisch instruierte Sportler vor den Mikrofonen der Reporter, „sein Ding“. Als nach einigen Jahren eher seichter Popsongs 2008 das Album „Stark wie zwei“ herauskam, jubelte die Fachpresse: Endlich wieder der Rocker Udo Lindenberg, von „künstlerischer Wiederauferstehung“ ist die Rede. Silbermond, Helge Schneider, Jan Delay sind auch dabei. Und Udo Lindenberg hat seinen Kindheitstraum erfüllt: „Als ich noch ein junger Mann war / Saß ich locker irgendwann da / Auf der Wiese vorm Hotel Kempinski .../ irgendwie, das war doch klar / Irgendwann, da wohn' ich da / In der Präsidentensuite / Wo's nicht reinregnet und nicht zieht / Und was bestell' ich dann? / Dosenbier und Kaviar.“ 26 Jahre lang wohnte Udo Lindenberg tatsächlich in einer 3-Zimmer-Suite im Hotel Atlantic in Hamburg, bis ihn das Coronavirus zum Auszug „zwang“: Er hätte bleiben können, aber ohne Zimmerservice. Dieses Jahr brachte er seinen ersten Nummer-eins-Hits in die Charts: „Komet“, zusammen mit dem Deutschrapper Apache 207.
  10. Peter Fox: Haus am See (2008)
    Pierre Baigorry veröffentlichte unter dem Namen Peter Fox eine einziges Album: „Stadtaffe“ (2008). Er wuchs in Berlin-Schönow im Bezirk Steglitz-Zehlendorf auf und ist der Sohn eines deutschen deutschen Lehrers polnischer Abstammung und einer französischen Baskin aus Saint-Etienne-de-Baigorry. Er begann eine Lehre als Klavierbauer bei der Firma Bechstein, arbeitete in verschiedenen Plattenläden und als DJ, begann ein Studium der Sonderpädagogik und Anglistik. Seit 1998 ist er als einer der Sänger bei der Reggae/Dancehall-Gruppe Seeed aktiv. Seinen Künstlernamen verdankt er einem jamaikanischen MC, der mit Seeed aufTour war. Wegen seiner roten Haare nannte der ihn Foxy. Neben den Alben mit Seeed veröffentlichte er nur zwei Singles als Solist, die letzte in diesem Jahr.
    Zum Song: „Stadtaffe“ erwies sich als großer Erfolg. 2009 verdrängte das Album Bruce Springsteen vom ersten Platz der deutschen Charts. „Haus am See“, die zweite Singleauskopplung, hielt sich 70 Wochen lang in den deutschen Charts. Der Song beginnt in Berlin, der Heimat von Fox: „Hier bin ich gebor'n und laufe durch die Straßen“. Aber das lyrische Ich will weg: „Kenn' die Gesichter, jedes Haus und jeden Laden / Ich muss ma weg, kenn jede Taube hier beim Name.“ Keine ganz seltene Konstellation in Pop- und Rocksongs: Ein junger Mensch will weg. Nur ist dies meist eine Flucht in die Stadt. Hier ist es umgekehrt: Hinaus aufs Land ist die Devise. Das nimmt einen Trend der kommenden Jahre vorweg: Die Landflucht vieler kreativer Menschen ins Berliner Umland, wie sie z.B. Julia Zeh in ihrem Roman „Unterleuten“ beschreibt. Es folgt eine Lebensreise, geprägt von Optimismus und Euphorie, die nach einigen Hindernissen in einer Idylle endet.
Chrisinom
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2010 – 2020
Das vergangene Jahrzehnt zu resümieren, dafür ist es noch zu früh. Im Gedächtnis bleiben wird vor allem die Unruhe; der Eindruck, einer Zeitenwende beizuwohnen: Die Sorge vor gesellschaftlichem und politischem Rückschritt ist wieder da. Als neues Megaproblem dringt der Klimawandel ins Bewusstsein. Nach der internationalen Finanzkrise gerät zu Beginn des Jahrzehnts auch die Europäische Union finanziell unter Druck. Die PIIGS (Portugal, Irland, Italien, Spanien, Griechenland) geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Der „Arabische Frühling“ weckt Hoffnungen, die Kernschmelze im japanischen Fukushima ist der Anfang vom Ende für die deutschen Atomkraftwerke: Die letzten drei sind soeben (April 2023) abgeschaltet worden. Der islamistische Staat gewinnt zunehmend an Einfluss. 2013 gründet sich in Deutschland eine neue Partei, die „Alternative für Deutschland“ (AfD), zunächst als Protestpartei gegen die Finanzhilfen Deutschlands für die europäischen Krisenländer. Mitte des Jahrzehnts zeichnet sich eine weitere neue Entwicklung ab: Flüchtlinge aus dem Nahen Osten erreichen mehr und mehr das europäische Festland. Die islamfeindliche Pegida-Bewegung um den mehrfach vorbestraften Lutz Bachmann wird gegründet. In Dresden, dem Zentrum der Bewegung, kommen mehrere tausend Leute zu sogenannten Montagsspaziergängen zusammen. Über die Balkanroute und übers Mittelmeer fliehen seit 2015 Hunderttausende vor Krieg, Elend und Armut ins wohlhabende Europa. Im folgenden Jahr stimmt die Mehrheit der Briten für den „Brexit“, den Austritt Großbritanniens aus der EU. Es kommt noch schlimmer: Donald Trump wird zum Präsidenten der USA gewählt. Das Wetter wird zunehmend heißer. Am 2. Juni 2018 wird der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf seinem Veranda ermordet - mutmaßlich durch die Hand eines Rechtsradikalen. Der CDU-Politiker war für seinen Einsatz für Geflüchtete bekannt. Inzwischen mobilisiert Greta Thunberg Millionen von Schülern zum Streik für den Klimaschutz (Fridays for future). Es gibt also Hoffnung: Gegen all diese Bedrohungen haben sich mächtige und internationale Allianzen gebildet. Junge Menschen, die für mehr Klimaschutz auf die Straßen gehen, demokratische Bewegungen, die gegen neue und alte Autokraten aufbegehren. Viele Menschen in Deutschland erwarten die „goldenen Zwanziger“ des 21. Jahrhunderts. Und dann kommen Corona und Putin.
Musikalisch schlagen sich diese Ereignissezunächst nur peripher in den Songs nieder. Deutschrock, Deutschpop, Punk, Rap dominieren weiterhin die Szene. Junge Künstler singen sich in den Vordergrund, einige inzwischen mit Migrationshintergrund. Die Casting-Shows haben einen Anteil daran, vor allem auch, weil sie den neuen Stars eine Bühne als Juroren bieten.

  1. Jupiter Jones: Still (2011)
    https://www.songtexte.com/songtext/jupi ... 9148e.html
    Los geht es mit einer Punkrockband. 2002 gegründet, hört sich die Band an wie eine Indie-Band aus dem Umfeld der Hamburger Schule. So wie Kettcar (dazu später) und deren Vorgänger „… But Alive“. Die vier Jungs kommen aber aus der Provinz, aus der Eifel. Den Namen haben sie von einem der vier Helden aus der englischen Originalversion einer in Deutschland viel gelesenen Reihe um junge Detektive. Bekannt werden sie über das Southside Festival 2004 und vier Studio-Alben. Und dann erscheint das Major-Debüt mit dem Bandnamen 2011. Es geht von einer Großveranstaltung zur nächsten. Man befürchtet das Abrutschen ins seichte Gewässer, aber Jupiter Jones bleiben sich treu. Dann 2014 die Schockmeldung: Der Sänger und Gitarrist scheidet wegen Angststörungen aus. Der Rest der Band macht weiter, Ex-Frontmann Müller gründet ein eigenes Projekt. 2017 gibt Jupiter Jones die Auflösung der Band bekannt – um 2022 plötzlich wieder zu zweit, mit Müller, am Start zu sein.
    Zum Song: „Still“ ist die Single aus dem Album von 2011. Zorn und Kummer, Sehnsucht und Selbstzweifel prägen das Album. „Still“ ist der Höhepunkt der gefühlsbetonten Songs. Nicholas Müller singt über Verlust und Sehnsucht. Das Gefühl des Verlustes kann nie vollständig erfasst werden. Der Verlust wird im Song nicht näher definiert, der Auslöser ist biographisch klar: Müller verarbeitet den Verlust seiner Mutter durch eine Krebserkrankung. Kurz vor ihrem Tod hatten seine Panikanfälle begonnen, die erst drei Jahre später als Angststörungen diagnostiziert wurden.
  2. Tim Bendzko: Nur noch kurz die Welt retten (2011)
    https://www.songtexte.com/songtext/tim- ... 9148e.html
    Der zweite große Erfolg des Jahres nach „Still“. Tim Benzko kommt musikalisch aus einer anderen Ecke: Jazz / Soul / Pop sind seine Ursprünge. Seine ursprünglichen Karrierepläne gab der junge Mann (Jahrgang 1985) aus Berlin-Köpenick (Sportverein natürlich Union Berlin) bald auf, nahm Gitarren-Unterricht, studierte nach dem Abitur fünf Jahre lang evangelische Theologie und nichtchristliche Religionen. 2009 bewarb er sich beim Talentwettbewerb der „Söhne Mannheims“ und spielte gemeinsam mit der Gruppe um Xavier Naidoo vor 20 000 Zuschauern in der Berliner Waldbühne. Kurz ein Wort zu Xavier Naidoo: Er ist nicht in dieser Playlist wegen seiner Reichsbürger-Thesen, Verschwörungstheorien und anderen seltsamen Äußerungen. Zurück zu Bendzko: Mit seinem Longplayer „Wenn Worte meine Sprache wären“ wird er zum Shooting-Star des Jahres 2011. Er singt im Vorprogramm von Elton John und Joe Cocker und sammel Preise ein (Echo, Bambi, MTV Europe Music Awards). Sein zweites Album „Am seidenen Faden“ holt 2013 Doppelplatin. Danach wird es langsam stiller um Bendzko, die folgenden Alben können nicht an diese Erfolge anknüpfen.
    Zum Song: 47 Wochen lang hält sich der Song in den Charts. Zu seiner Entstehung sagt Bendzko, der Lebensgefährte seiner Mutter habe immer diesen Satz gesagt, um sich vor Aufgaben zu drücken und Computerspiele zu spielen. Ganz eindeutig ist der Text nicht, er lässt Raum für verschiedene Interpretationen. Wird die „Weltrettung“ vorgeschoben, um andere Dinge nicht machen zu müssen? Werden andere Dinge – wie „Mails checken“ – vorgeschoben, um die „Welt nicht retten“ zu müssen?  Auf jeden Fall erfasst Bendzko eine Tendenz jener Jahre, die zunehmende Beschäftigung mit den digitalen Medien, die wenig Raum für anderes lassen.
  3. Die Toten Hosen: Tage wie diese
    https://songtextes.de/songtexte/die-tot ... -wie-diese
    Anfang der 80er trafen sich, der Legende nach, fünf junge Männer irgendwo in Düsseldorf. Sie gründeten eine Band, gaben Konzerte, brachten Platten raus und lernten, ihre Instrumente zu spielen. In genau der Reihenfolge. Drei von ihnen hießen Andreas. Also gaben sie sich Kampfnamen. Der Sänger, Frontmann, Fußballfan und Halb-Engländer Andreas Frege z.B. ist dem breiten Publikum nur als Campino bekannt. Die Band spielten musikalisch einfachen, politisch engagierten Punk-Rock und hatte bald eine Fangemeinde in der linksalternativen Szene. Da ahnte noch keiner, dass 2013 die CDU-Spitze um Angela Merkel einen ihrer Songs bei ihrer Wahlsieg-Party singen würde. Der Erfolg der „Hosen“ hält seit den 80er Jahren an, immer wieder neue Generationen begeisterten sich für diese Musik. Das Ergebnis: Millionen verkaufter CDs, Spitzenplatzierungen in den Charts. Zwischen 1982 und 1987 geben die Düsseldorfer 1000 Konzerte, als Vorband von den Rolling Stones und U2, mit Green Day und Therapy? und auch alleine. Man ist durchaus wandlungsfähig: 2005 z.B. gibt es Konzerte mit den Biermösl Blasn und mit Gerhard Polt. Das politische Engagement bleibt: 2007 reisten drei Bandmitglieder für die Hilfsorganisation Oxfam durch Uganda, Sambia und Malawi und verfassten Texte über den Kampf gegen Armut, Hunger und Tod. Im Mai 2012 erscheint das Album „Ballast der Republik“, das in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Platz 1 schießt. Und es geht bis heute weiter, getreu dem Motto der Band: "Solange Johnny Thunders lebt / solange bleib ich ein Punk / solange es was zu trinken gibt / dauern alle unsere Feste an".
    Zum Song: „Deutschland hat ein neues Volkslied“ – so textete die „Rheinische Post“ nach dem Erscheinen des Lieds. Ein Soundtrack für gemeinsames Abfeiern. Der Song der Verbrüderung bei Volksfesten, nach Fußballsiegen, bei Junggesellen-Abschieden – und nach gewonnenen Wahlen. Kein Wunder: Musikalisch ist der Song eher Deutschrock als Punk, eher Pur als Johnny Thunders, eher klebrig als ruppig. Da kann jeder mitsingen, auch betrunken. Am besten mit vielen Leuten. Man fühlt sich in diesem Lied geborgen. Dazu gehört, dass der Anlass solcher Freude im Text wenig konkret ist. Zeitlos, der Ort ist jedenfalls Düsseldorf, wegen der Rheinterrassen. Die musikalische Tradition: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ oder wahlweise „Oh, wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehn, so schöm, so schön.“ Der Erfolg des Songs: „Kein Ende in Sicht.“
  4. Heino: Junge
    https://www.songtexte.com/songtext/hein ... 10272.html
    Und wenn wir schon beim Volkslied sind: Hier kommt der King der deutschen „Volksmusik“, der Mann mit der dunklen Brille: Heinz Georg Kramm alias Heino, gelernter Bäcker und Konditor. Mehr als 50 Jahre im Musikgeschäft, mehr als tausend aufgenommene Lieder, über 50 Millionen verkaufte Tonträger in Deutschland (mehr als die Beatles), aber nie Platz 1 in den deutschen Album-Charts – bis … aber dazu später. Entdeckt wurde Heino auf einer Modenschau durch den Produzenten Ralf Bendix; bereits die erste Single wurde 1966 ein Hit. Es ging immer weiter aufwärts: Mitte der 70er Jahre war der Zenith erreicht. Das Rezept: Schlagermäßige Bearbeitung von Volksliedern. Daneben interpretiert Heino auch klassische Melodien (Bach, Mozart). Die dunkle Sonnenbrille (wegen einer Augenkrankheit) und das blonde Haar sind Heinos Markenzeichen. Dann brachen in den 80er Jahren die Verkaufszahlen drastisch ein. Zwei Tourneen nach Südafrika trotz des UNO-Embargos und des Boykotts internationales Künstler brachten Heino Kritik ein. Ende der 80er Jahre brachte er dann einige seiner Hits als Rap-Versionen auf den Markt. Und im neuen Jahrtausend ließ er sich so manch andere Dinge einfallen, die ihn schließlich auf die Bühne des legenderen Hardrock-Festivals von Wacken brachte – neben Rammstein.
    Zum Song: 1913 das erste Nr.1-Album mit dem schönen Titel „Mit freundlichen Grüßen“, Untertitel „Das verbotene Album“. Ein Marketing-Geniestreich, pünktlich zum Karneval. Heino interpretiert deutsche Hits aller Genres (daher der Albumtitel, auch Fanta 4). Dennoch: vom Ansatz her und bei einigen Songs ein spannendes Projekt. Zwar gehen manche Songs in die Hose, andere sind im Grunde sowieso Schlager. Und einige Songs sind in Heinos Version spannend – wie z.B. der Ärzte-Song „Junge“. Im Text machte sich Sänger Farin Urlaub kongenial die Position der von den Eltern genervten Teenies zu Eigen - wie umgekehrt: „Und immer deine Freunde / Ihr nehmt doch alle Drogen / Und ständig dieser Lärm (Was sollen die Nachbarn sagen?) / Denk an deine Zukunft / Denk an deine Eltern / Willst du, dass wir sterben?“Bei Heino ist die Sache klar: Die Eltern hören natürlich Heino, nicht Die Ärzte. Eben dadurch wird die Position der Eltern gerade umgekehrt ironisiert.
  5. Cro: Traum (2014)
    https://www.songtexte.com/songtext/cro/ ... 57302.html
    Was dem einen die Sonnenbrille, ist dem anderen (aus der Enkelgeneration) die Pandamaske. Lange Zeit hielt Carlo Waibel seine wahre Identität geheim und trat nur mit Maske auf; seine Musik solle im Vordergrund stehen. Der große Durchbruch gelang dem 21-jährigen Schwaben 2011 mit seinem dritten Mixtape „Easy“. Der Gratis-Download brachte den Server seines Produzenten nach kurzer Zeit zum Absturz. Seine Musikrichtung bezeichnet er selbst als „Raop“ (so auch der Titel seines ersten Albums), eine Mischung aus Rap und Indie-Popmusik. Das zweite Album („Melodie“, 2014) setzte den Trend des ersten nahtlos fort, das dritte, experimentierfreudige („tru“, 2017) war vielleicht sein bestes. Zwei weitere Alben folgten 2021 und 2022. 2015 war Cro mit 25 Jahren der bis dahin jüngste Künstler, der ein MTV-Unplugged-Album aufgenommen hatte. Neben der Musik betreibt Cro seit 2010 sein eigenes Kleidungslabel. 2015 gestaltete er mit Lacksprühdosen, Lackstiften und Lackfarbe das Außendesign eines Mercedes-Benz CLA. Seit April 2017 ist das Fahrzeug im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart ausgestellt.
    Zum Song: „Traum“ ist die erste Single-Auskoppelung aus dem zweiten Album „Melodie“. Der Song hielt sich 51 Wochen lang auf Platz 1 der Charts und wurde mehr als eine Million mal verkauft. „Traum“ war der perfekte Sommer-Hit 2014: Cro auf der Suche nach seiner Traumfrau. Er: Reich, mit Privat-Jet, verspricht ihr das Blaue vom Himmel, steht vor Sehnsucht kurz vor dem Explodieren: „Denn immer, wenn ich dich seh’, macht es in mir tick-tick-boom so wie dynamite.“ Sie: Eine Leerstelle. Eine Chimäre. Sie zu treffen: Der reine Zufall: „… du bist eine von denen, die man nicht suchen darf, sondern irgendwann mal auf der Straße trifft.“ Serendipity: Suche funktioniert dann am besten, wenn man nicht genau weiß, was man sucht. Aber nicht so Cro: „geh ich einsam ins Bett, und hoff‘, dass ich gleich wieder penn‘, denn manchmal träum ich nur von Dir …“. Wie kann man auch seine Traumfrau bitten, dass sie auf einen wartet!
  6. Sido feat. Andres Bourani: Astronaut (2015)
    https://www.songtexte.com/songtext/sido ... 85ed5.html
    Noch mal Raop, diesmal nicht in einem, sondern auseinander: Ein Rapper (Sido) und ein Deutschpop-Musiker (Bourani). Und noch ein Maskenmann: Paul Würdig alias Sido, geboren 1980, verbarg sein Gesicht bis 2005 hinter einer silbernen Totenkopfmaske. Gemeinsam mit Bushido gilt er als hauptverantwortlich für die Kommerzialisierung des deutschen Ghetto-Raps. Seinen ersten großen Erfolg feierte er mit der Single „Mein Block“. Der Song setzt sich mit dem Leben in der Berliner Großwohnsiedlung „Märkisches Viertel“ auseinander. Kontrovers diskutiert wurden der explizite Inhalt und Sprachgebrauch, ein Markenzeichen Sidos auch in den folgenden Veröffentlichungen. Höhepunkt seiner frühen Karriere war das dritte Album „Ich und meine Maske“ (2008): Platz 1 der deutschen Albumcharts, goldene Schallplatte. 2010 folgte das zweite MTV Unplugged Rap-Album (nach den Fanta 4). Seit 2013 folgten regelmäßige Single- und Albumserfolge. Zahlreiche Skandale, Auseinandersetzungen und Prozesse pflastern seinen Weg.
    Andreas Bourani ist ein Popsinger, der seine wirklichen Eltern nicht kennt. Seine Eltern waren Nordafrikaner, aber schon einen Tag nach seiner Geburt kam er in eine neue Familie, die Familie Stiegelmair. Unter diesem Namen nahm er 2003 an einer Casting-Show teil. Um den Namen seiner Eltern aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, singt er seither unter seinem Geburtsnamen Bourani. 2010 erhielt er einen Vertrag bei Universal. Der große Erfolg kam 2014 mit der Single-Auskoppelung „Auf uns“ aus seinem zweiten Album. Das Lied stieg auf Platz 1 in den deutschen Charts und gehört zu den meistverkauften Singles in Deutschland. Das Erste Deutsche Fernsehen machte den Song zum WM- Song seiner Berichterstattung von der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Nach dem Sie der deutschen Mannschaft wurde es im Maracana-Stadion gespielt. Beim Empfang der Spieler nach der Rückkehr auf der Fanmeile in Berlin trat Bourani damit live auf.
    Zum Song: Für Bourani war „Astronaut“ der zweite Nr. 1-Hit der deutschen Charts. Das Thema ist nicht neu: Die Byrds, die Steve Miller Band, Elton John, Babylon Zoo und viele andere beschäftigten sich mit dem Weltraumfahrer. Ebenso clever wie die Themenwahl war die Paarung: Unser Lieblingsrapper. Der Kerl, der zwar manchmal etwas, nun ja, ungeschliffen wirkt, aber eben nie wie ein echter Gangster. Und Deutschlands Lieblingssänger. Der Fußballkerl. 2018 starteten ESA-Astronaut Alexander Gerst, Sido und Andreas Bourani eine ungewöhnliche Aktion: Mit einem neuen Musikvideo zu „Astronaut“ machten sie gemeinsam auf die dramatische Lage vieler Kinder aufmerksam und riefen zum Einsatz für eine bessere Welt für Kinder auf. Die erste Weltraum-Mission Gersts hatte Sido 2014 zum Schreiben des Songs inspiriert. Das neu aufgesetzte Musikvideo kombiniert den Blick vom All auf die Erde mit Bildern aus Kriegs- und Krisengebieten. Es untermauert die Forderung, die Augen vor Gewalt, Leid und Elend nicht zu verschließen – und die Rechte der Kinder zu verteidigen. Ein hoher Anspruch für einen Song, dessen Originalität sich doch sehr in Grenzen hält.
  7. Max Giesinger: Wenn sie tanzt (2016)
    https://www.songtexte.com/songtext/max- ... 3f16c.html
    Max Giesinger: Der deutsche Forrest Gump der Popszene. Überall dabei, viel versucht. Mit 13 die erste Punk-Formation, unzählige Gigs während seiner Schulzeit, wechselte seine Bands wie Unterhosen. Nutzt als Teenager bereits 2006 als Plattform für seine Songs. Nach dem Abitur Work and Travel durch Australien und Neuseeland, immer mit der Gitarre. Lebt von Backpacker-Jobs, auch als Straßenmusiker in Sydney. Zurück in Deutschland, entscheidet er sich für eine Karriere als Popsänger – und hat eine gute Idee: Er bewirbt sich bei der Mannheimer Pop-Akademie. Leider scheitert er bei der Aufnahmeprüfung. Was tun? Giesinger meldet sich zum Casting der TV-Show Voice of Germany. Im Finale belegt er den vierten Platz. Eine Single und eine erfolgreiche Deutschland-Tournee folgen, aber dann ebbt der Hype ab. Was nun? Giesinger entscheidet sich für einen Umweg: Er startet eine Crowodfunding-Kampagne und veröffentlicht 2014 seine erste Platte. 2016 unterschreibt er bei BMG. Seine Single „80 Millionen“ landet sofort auf Rang 13 der deutschen i-tunes-Charts. Sein zweites Album heißt „Der Junge, der rennt“. Damit schließt sich der Kreis mit Forrest Gump.
    Zum Lied: „Wenn sie tanzt“ ist die zweite Single aus „Der Junge, der rennt“. Giesinger selbst bezieht den Song auf seine alleinerziehende Mutter, die die Arbeit, den Haushalt und die Erziehung ihres Sohnes zu leisten hatte. Besonders glücklich sei sie gewesen, wenn er Songs auf der Gitarre spielte und sie kurz dabei innehalten konnte. 2017 kritisierte der Satiriker Jan Böhmermann Giesingers Musik als Beispiel der deutschen „Industriemusik“ scharf. In seiner Fernseh-Show nannte er diese Musik völlig belanglos: Sie gaukele Tiefe vor, spende Trost, erreiche Millionen, kassiere ab. Da ist sicher etwas dran: Giesingers Songs ähneln sich irgendwie, sind voll mit leeren Worthülsen und völlig unpolitisch.
  8. Kettcar: Sommer 89 (Er schnitt Löcher durch den Zaun) (2017)
    https://www.songtexte.com/songtext/kett ... 6cef5.html
    Der Gegensatz zu Giesinger: Kettcar lehnte bereits zwei Major-Angebote der Schallplattenindustrie ab. Entstanden aus der Punk-Rock-Band … But Alive“, formierte sich Kettcar 1999 und veröffentlichte bald die erst Gratis-Mini-CD mit dem schönen Titel "So Lange Die Dicke Frau Noch Singt, Ist Die Oper Nicht Zu Ende". Die Formel: Das Beste vom Punk mit ein bisschen Elektronik, verpackt als Popmusik und verkauft als das coolste Spielzeug der Zeit, das Kettcar. Nach den ersten zwei LPs 2002 und 2005 sind Kettcar der Indie-Renner und schaffen es in die größeren Tageszeitungen und sogar in die „Tagesthemen“, die Spätnachrichten des Ersten Deutschen Fernsehens. Album 2 schafft es 2005 unter die ersten Fünf der Charts. Im Abstand von 3 bis 4 Jahren folgen zwei weitere erfolgreiche Alben. 2013 kündigen Kettcar eine Pause an, Frontmann Marcus Wiebusch veröffentlicht eine Solo LP. Zwei weitere Kettcar-Alben folgen ab 2017, musikalisch wenig innovativ, bezieht jedoch inhaltlich sehr deutlich Position.
    Zum Song: Das gilt auch und besonders für die Vorab-Single von „Ich vs. Wir“. Es ist die Geschichte eines Fluchthelfers im Vorfeld des Falls der Mauer. Ein junger Mann setzt sich in Hamburg in seinen alten himmelblauen Ford Granada. Sein Ziel ist die österreichisch-ungarische Grenze. Mit im Gepäck hat er den besten Bolzenschneider, den er auftreiben konnte. Der Song ist über weite Strecken Sprechgesang. Er erzählt von einem mutigen jungen Mann, der Menschen half, die oft nicht nur aufgrund von Repressionen, sondern auch in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Westdeutschland flohen. "Sie kamen für Kiwis und Bananen", singt Wiebusch, "für Grundgesetz und freie Wahlen, für Immobilien ohne Wert. Sie kamen für Udo Lindenberg. Für den VW mit sieben Sitzen. Für die schlechten Ossi-Witze. Sie kamen für Reisen um die Welt. Für Hartz IV und Begrüßungsgeld. Sie kamen für Besser-Wessi-Sprüche. Für die neue Einbauküche. Und genau für diesen Traum schnitt er Löcher in den Zaun." Zurück in seiner linksintellektuellen Hamburger WG-Küche, muss sich der junge Mann Kritik von seinen Freund*innen anhören. "Einerseits wäre die Aktion natürlich gut gemeint gewesen. Wegen den Familien und so. Aber andererseits wäre eine deutsche Einheit, und darauf laufe die Entwicklung der letzten Wochen nun mal hinaus, ein großer Fehler. Deutschland dürfe nie wieder ein Machtblock mitten in Europa werden." Das ist jedoch mehr als eine Geschichtsstunden aus dem Jahr 1989. Es ist politisch, Gesellschaftskritik. 1917 wurden wieder Zäune und Mauern gebaut. Wieder flohen Menschen vor Krieg, Leid und mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Was der junge Mann des Liedes tat, war gegen das Gesetz. Trotzdem würde heute niemand sagen, dass sein Tun unrecht war. Wenn eine nicht-gesetzestreue Tat einem Menschen in Not hilft – ist sie dann unrecht?
  9. Sarah Connor: Vincent (2019)
    https://genius.com/Sarah-connor-vincent-lyrics
    Ihre PR-Agentur beschreibt sie mit den Buchstaben SSS: Soul, Sex, Sinnlichkeit. Bereits mit 15 Jahren sang sie im Musical „Linie 1“ und nahm klassischen Gesangunterricht. 2001 war das große Jahr des Durchbruchs für die Tochter eines Werbetexters aus New Orleans. Ihr Künstlername geht auf ihren Großvater zurück, einen irisch-amerikanischen Jazz- und R&B-Pianisten. Ihre Vorbilder: die Größen der Soulmusik wie Aretha Franklin und Stevie Wonder. Ihre erste Single schaffte es bereits auf Platz 1 der deutschen Charts, ihre zweite Single bis in die Top 30 der UK Charts. Doch das Singen reichte Sarah nicht. Sie suchte sich eine zweite sinnvolle Beschäftigung: sanfter politischer Aktivismus. Unter anderem warb sie für die Tierschutzorganisation PETA gegen Tierversuche für Kosmetikartikel. Fast 10 Jahre lang verlief ihre Karriere auf Englisch, dann war 5 Jahre lang Funkstille. 2015 dann das Album „Muttersprache“, mit deutschen Texten. 2019 kam das zweite deutsche Album „Herz Kraft Werke“. Mit inzwischen rund sieben Millionen verkaufter Tonträger zählt Sarah Connor zu den erfolgreichsten Sängerinnen Deutschlands.
    Zum Song: „Vincent“ ist die erste Single aus „Herz Kraft Werk“. Gegenüber der linksalternativen "taz“ äußerte Connor, dass Vincent der wichtigste Song sei, den sie bisher gemacht habe. Wegen der Anfangszeile sendeten einige Stationen den Song nicht oder kürzten ihn. Connor schrieb das Stück, nachdem sie von einer Freundin erfuhr, dass ihr Sohn schwul sei. Es gehört nicht viel dazu, hinter dem umstrittenen Vers eine raffinierte PR-Strategie zu erkennen. Die sexuelle Anspielung ist vage formuliert und dabei moralisch positiv aufgeladen. Ganz gleich, wie sich ein Rundfunksender entscheidet, ob abspielen, verändern oder ganz boykottieren: Öffentliche Aufmerksamkeit ist diesem Vers gewiss. Das hat auch mit den heutigen Radiosendern zu tun, besonders mit den privaten: Sie haben die einst anspruchsvolle Radiokultur zur Produktion akustischer Billigtapeten herunter gewirtschaftet. Was an lyrischem Schwachsinn gedichtet wird, fällt niemandem mehr groß auf - es sei denn: Irgendwo wird ein Geschlechtsteil erwähnt.
  10. Mark Forster: 194 Länder (2019)
    https://www.songtexte.com/songtext/mark ... baf3d.html
    Zurück zur Unterhaltungsindustrie: Mark Forster reiht sich prächtig ein in die Reihe der Bendzkos, Bouranis, Giesingers etc. Was er produziert, ist nicht wirklich schlecht, seine Stücke sind stimmig, nachdenklich, zuversichtlich, sprechen Verstand und Gefühl, „Bauch und Kopf“ ( so der Titel seiner zweiten CD) an. Nur klingt alles irgendwie gleich. Dabei ist seine Biographie nicht durchgestylt: Geboren als Mark Cwiertnia (seine Mutter ist Polin), abgebrochenes Jura-Studium, Mitte 20 auf Pilgerreise auf dem Jakobsweg, dann Pianist und Sidekick von Kurt Krömer, später Vollzeitmusiker im Umkreis von Seeed und Peter Fox. Erst mit 28 der Sprung in die deutsche Musiklandschaft im Jahr 2012. Nach der Single „Einer dieser Steine“ mit dem unvermeidlichen Sido (2013) sowie „Bauch und Kopf“ (2014) ist Forster etabliert. Weitere Erfolge bleiben nicht aus, darunter auch der unvermeidliche Fußballhit zur EM 2016. In die Schlagzeilen kommt der eigentlich sympathische und schlagfertige Sänger mit der Kappe auch durch seine Ehe mit der ESC-Siegerin (2013) Lena Meyer-Landrut.
    Zum Song: Wieder ein Liebling von DAF (Deutsch als Fremdsprache) Lehrenden: Er taugt zum Lernen von Zahlen, von Ländern und Städten auf Deutsch, zur Vermittlung von Umgangssprache. Sonst gebt Forster ganz schön an mit seinen Reiseerfahrungen rund um die Welt (hätte man auch auf Insta posten können). Die Freundin darf in dem Song nicht mit: "Mann, wann seh' ich dich endlich? / Ich schick' 'n Herz in Rot zu dir." Selber schuld, warum hat er sie nicht mitgenommen. Hoffentlich hat er wenigstens die Selfies geschickt. Wir hören besser seinen Song „Hier kommt die Maus“ (zum 50jährigen Jubiläum der Wissenssendung des Ersten Deutschen Fernsehens) (https://presse.wdr.de/plounge/wdr/progr ... Lyrics.pdf. Oder aber den Song „Menschen Leben Tanzen Welt“ des Fernsehsatirikers Jan Böhmermann: https://genius.com/Jim-pandzko-menschen ... elt-lyrics.
  11. Danger Dan: Nudeln und Klopapier (2020)
    https://songtextes.de/songtexte/danger- ... d-klopapie
    Zwei Dinge haben Mark Forster und Daniel Pongratz alias Danger Dan gemeinsam: Sie sind beide Jahrgang 1983 und beide weitgereist. Das war’s dann aber auch. Der Sohn des Pädagogen Ludwig A. Pongratz stammt aus der linken Szene und hat bereits viel erlebt. Zehn verschiedene Schulen, Betreuer in einem Kinderheim, Drogendealer, Statist in einer Seifenoper, Studiopianist, Komponist, Autor von Kindertheaterstücken, Lehrer für Zirkuskinder, Musiker mit einem Puppentheater in Ostafrika, Anzugverkäufer bei C & A, Leiter von Arcor-Filialen in und bei Aachen, Studium der Musiktherapie abgebrochen – das sind einige seiner Stationen. Auch später tingelt er durch die Welt mit Theater- und Musikprojekten. Im Auftrag des Goethe-Instituts geht es in 17 verschiedene Länder, u.a. in Afrika, Armenien und Georgien. Seine bunte Biografie spiegelt sich in seiner Musik, die wohlklingende Popanleihen mit Protestcharakter, rebellischen Punk mit sensiblen Songwriter-Allüren, Rap mit Kabarett mischt. Schließlich landet er mit seinem Bruder Tobias alias Panik Panzer bei der Hip-Hop-Formation Antilopen Gang. 2014 gehen die Antilopen mit ihrem Album „Aversion“ durch die Decke. Dan spielt viele Instrumente, bezeichnet sich selbst als der „kreative Chaot“ seiner Band. 2018 stellt er ein offizielles Solo-Album fertig. Der (relativ) große Erfolg kommt 2021 mit der Klavierballade „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, samt dem gleichnamigen Album. Die Presse bezeichnet ihn als den deutschen Randy Newman des Rap.
    Zum Song: 2020 ist natürlich das Jahr der Corona-Epidemie. Die Antilopen mussten ein Konzert in Bern aus Sicherheitsgründen abbrechen, Dan freute sich lediglich auf einen Frühlingsspaziergang im Berliner Zoo. Auf Anraten des Gesundheitsministers sollten alle Einreisenden aus der Schweiz 14 Jahre in Quarantäne gehen. Dan nimmt sein Klavier mit in die Isolation und schreibt seine humoristische Ballade über das deutsche Einkaufsverhalten in Zeiten des Virus. Er nimmt ihn unter Eigenquarantäne bei sich zu Hause auf. Der deutsche Randy Newman des Rap ist geboren.
  12. Bosse: Der letzte Tanz (2021)
    https://www.songtexte.com/songtext/boss ... 5b923.html
    Axel Bosse veröffentlichte 2005 sein Debütalbum. Bis heute folgten sieben weitere CDs, zuletzt 2021 „Sunnyside“. Zwei seiner letzten drei Alben erreichten Platz 1 in den Charts. Inspiration findet er auf seinen zahlreichen Reisen, er pendelt zunächst zwischen Hamburg und der Türkei, wo seine Frau und Tochter leben. Für sein sechstes Album „Engtanz“ geht er nach Umbrien. Sein nächstes Album sollte eigentlich von privaten Themen handeln, aber dann kam der Rechtsruck in den letzten Jahren in Deutschland in den Weg. Das Album ist gespickt mit klaren Statements gegen Nazis und Wutbürger. Bosse ragt aus dem musikalischen Deutschpop-Mainstream heraus und bezieht Stellung, anders als die Giesingers und Forsters, die ein ganzes Genre unter Schlager-Verdacht gestellt haben.
    Zum Song: Der Text trifft das Zeitgefühl auf verschiedenen Ebenen. Zunächst beschreibt der Song das Ende einer Beziehung. Doch im Jahr neuen Jahrzehnt trifft uns der Satz „tanz, als wäre es der letzte Tanz“ gerade auch deshalb, weil wir eben nicht, wie sonst, auf Konzerten, Festivals oder im Club zu unserer Lieblingsmusik tanzen können.
  13. Tocotronic feat. Soap&Skin: Ich tauche auf (2022)
    https://www.songtexte.com/songtext/toco ... ddc56.html
    Die Lieblinge des deutschen Feuilletons, die Institution des Indie-Pop, die einstigen Musterknaben der Hamburger Schule – Tocotronic, vor dreißig Jahren gegründet, dürfen hier nicht fehlen. Viele ihrer Songs sind Playlist-würdig. Was von 2022 bleiben wird, ist noch nicht klar. Deshalb dieser Song aus ihrem letzten Album. Frontmann Dirk von Lowtzow zog Ende 1993 nach Hamburg und gründete mit den Punk-Musikern Jan Müller und Arne Zank eine Band, die sie nach einem Vorläufer des Gameboy „Tocotronic“ nannten. Die Hamburger Musikszene feierte sie sofort, noch vor ihrem ersten Album. Ihre eigenwilligen Frisuren, ihr Kleidungsstil (Cordhosen, Werbe-T-Shirt, Trainingsjacken), ihre Höflichkeit, alles wurde bewundert. Anfang 1995 erschien das Debüt-Album „Digital ist besser“: Trashiger Post-Grunge, teils punkige Texte, teils Momentaufnahmen vom Jugendalltag, rührend melancholisch: Ein Meilenstein des deutschen Indie-Pops. Das dritte Album brachte den Einstieg in die deutschen Charts. Album für Album werden Text und Musik distanzierter, differenzierter. Ende des Jahrhunderts: Midtempo-Songs, kompliziertere Songstrukturen, abstraktere Texte, neuer Look: Suede-artige Hemden, schwarze Kunstlederjacken. Die Band wird zur etablierten und kunstvollen deutschen Rockband. 2005 erreichte „Pure Vernunft darf niemals siegen“ auf Anhieb Platz drei der Charts. 2010 gelang mit „Schall und Wahn“ der Sprung an die Spitze der deutschen Albumcharts. Mitte des Jahrzehnts erfolgte eine neue Ausrichtung: Es klingt nach New Order, The Cure the Smiths. Tocotronic bleiben aufgeschlossen, versuchen sich immer wieder neu zu entdecken. Es beginnt eine neue Ära mit kryptischen Texten, märchenhafter, dunkler Erzählung.
    Zum Song: „Ich tauche auf“ ist die zweite Auskoppelung des Albums „Nie wieder Krieg“. Eine rätselhafte Liebesballade ohne Happy End. Laut Pressetext geht es um “die Liebe zweier Menschen, die sich gegenseitig über den Abgrund des Lebens hinweg spiegeln, aber nie wirklich zueinander finden können”. Ein Text typisch Tocotronic: Zwischen gesprochenen Worten und Gefühlen, schmerzhaft schön. Perfekt die Symbiose zwischen Dirk von Lowtzow und der österreicherischen Sängerin Anja Plaschg alias Soap&Skin. Das Zentralmotiv ist das Wasser, man denkt an Mythen, Meerjungfrauen wie Melusine und Undine, an Leben und Tod, seit jeher mit dem Wassermotiv verknüpft.
    Bonus Track Herbert Grönemeyer: Deine Hand (2023)
    https://www.songtexte.com/songtext/herb ... e2de2.html
    Welcher Song wird von diesem Jahr im Gedächtnis bleiben? Das letzte Wort soll Herbert Grönemeyer gelten. Seine Vorab-Single des neuen Albums „Das ist los“ soll Mut und Hoffnung in schweren Zeiten geben. Isolation, Einsamkeit, Verzweiflung in den Corona-Jahren, eine Welt aus den Fugen (Energiekrise, Ukraine-Krieg, Iran, Jemen, Sudan): Grönemeyer appelliert an Solidarität in einer Gesellschaft, die auseinanderzufallen droht.
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